Die SPD und der Kriegseintritt

Die Gesellschaft im Kaiserreich war von Beginn an stark gespalten. Es gab im Grunde zwei große Gruppen.

Die SPD vertrat die Arbeiterschaft und kämpfte für deren Interessen. Die Partei wurde seit dem Bestehen des Kaiserreiches immer stärker und erreichte in der letzten Reichstagswahl 34,8% der Stimmen. Sie führte daraufhin im Reichstag die stärkste Fraktion an und konnte dadurch Mehrheiten in Abstimmungen erreichen. 

 

Leider hatte der Reichstag auf die Politik im Kaiserreich kaum Einfluss. Das einzige bedeutsame Recht des Reichstages war das Budget-Recht. Der Kaiser musste seine Finanzplanung vom Reichstag bewilligen lassen. Auch wenn die Regierung Kredite für das Kaiserreich aufnehmen wollte,  musste darüber im Reichstag abgestimmt werden.

 

Wie stand die SPD zum bevorstehenden Krieg? Sie war naturgemäß gegen Militarismus und Krieg ausgerichtet und stand den Kriegserklärungen Österreich-Ungarns und des Deutschen Kaiserreiches kritisch gegenüber. Die SPD organisierte im ganzen Kaiserreich Protestveranstaltungen, in denen sie die Bevölkerung gegen den Krieg mobilisieren wollte. An einer Protestveranstaltung in Berlin nahmen über 100 000 Menschen teil, obwohl die Veranstaltung von der Polizei verboten wurde.

 

Obwohl die SPD die stärkste Kraft im Reichstag war, konnte sie den Krieg nicht verhindern. Denn das Recht, den Krieg auszusprechen, lag allein beim Kaiser. Doch der Kaiser brauchte einen Kriegskredit in Höhe von 5 Milliarden Mark. Dieser Kredit musste vom Reichstag bewilligt werden. Der Kaiser stand also vor der schwierigen Aufgabe, die Arbeiterschaft und die Abgeordneten der SPD von der Notwendigkeit des Krieges und des Kredites zu überzeugen.

 

Am 31. Juli und am 1. August 1914 hielt er Kaiser zwei Reden vor dem Berliner Stadtschloss ("Balkonreden"). In diesen Reden forderte er die Deutschen zu Zusammenhalt auf. Der Kaiser hatte keine gute Meinung von der Arbeiterschaft. Er hatte sie schon oft als „rotes Arbeiterpack“ bezeichnet und verachtete ihren Kampf um bessere Lebensbedingungen. Am meisten hasste er die SPD, ihre Wähler und ihre Anführer. In der Rede vor dem Stadtschloss sagte er nun den bedeutsamen Satz: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“. 

 

Mit diesem Satz wollte er alle Streitigkeiten beenden und die Feindschaft zur SPD aufgeben . In der Not des bevorstehenden Krieges wollt ere alle Deutschen zu einer Gemeinschaft zusammenfügen. 
Gleichzeitig nahm der Kaiser mit diesem Satz alle Gegner des Krieges in die Verantwortung: Wer sich jetzt gegen den Krieg und den Kredit stellt, riskiert die Niederlage der Deutschen. Mit der Rede erreichte der Kaiser die gewünschte Wirkung. Seine Zuhörer jubelten ihm minutenlang zu. Für den Kaiser war es wichtig, die breite Bevölkerung von seinen Kriegsplänen zu überzeugen, denn dann würden diese Druck auf die Abgeordneten ihrer Partei ausüben und deren Abstimmungsverhalten beeinflussen.

Doch der Kaiser wollte sich auch noch einmal speziell die Abgeordneten des Reichstages „vornehmen“. Am 4. August 1914 lud er alle Abgeordneten ins Stadtschloss ein und hielt für sie eine weitere Rede. Er erklärte dort, dass der Krieg von Frankreich und Russland erzwungen worden wäre und das Deutsche Kaiserreich sich nun verteidigen müsse. Der Krieg sei das Ergebnis jahrelanger Kriegstreiberei Russlands und Frankreichs.

 

Wie stimmte die SPD ab?

Kurz vor der Abstimmung des Reichstages über die Bewilligung des Kriegskredites trafen sich die SPD-Abgeordneten, um sich zu beraten und das gemeinsame Vorgehen festzulegen. 78 SPD-Abgeordnete stimmten für den Kredit, 14 dagegen. Die Führung der SPD legte einen Fraktionszwang fest. Das bedeutet, dass in der großen Abstimmung im Reichstag alle SPD-Abgeordneten gleich abstimmen mussten – und zwar mehrheitsgemäß für den Kriegskredit. Zwei SPD-Mitglieder, die nicht für den Kredit stimmen wollten, verließen den Saal. Damit war der Weg für den Krieg frei – auch mit Unterstützung der SPD. 

 

 

Der Burgfrieden

Außerdem wurde auf dem Reichstag der Burgfrieden beschlossen. Der Begriff „Burgfrieden“ stammte aus dem Mittelalter und war damals  eine spezielle Friedensregelung für das Territorium einer Burg. Der Kaiser schaffte es jetzt, einen „Burgfrieden“ für das Gebiet des Deutschen Kaiserreiches für die Dauer des Krieges durchsetzen.

 

Der Burgfrieden umfasste…

  • dass es für die Dauer des Krieges keine Neuwahlen für den Reichstag geben würde,
  • dass auch keine Abgeordneten neu gewählt werden, falls Plätze frei werden,
  • dass keine Streitigkeiten öffentlich ausgetragen werden,
  • dass das Deutsche Kaiserreich nach außen hin geschlossen auftritt,
  • die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit: man durfte den Krieg nicht öffentlich kritisieren.

 

Außerdem wurde das Kriegsermächtigungsgesetz beschlossen. Dieses besagte, dass die Regierung für die Dauer des Krieges wirtschaftliche Notverordnungen erlassen darf – ohne Zustimmung des Parlamentes.

 

Die Folgen

Die Demokratie war damit vollständig außer Kraft gesetzt, der Kaiser konnte seit Kriegsbeginn handeln, wie er wollte. Alles Militärische hatte nun Vorrang gegenüber allen anderen staatlichen Angelegenheiten. Wer sich darüber beschwerte, galt als unpatriotisch und als Vaterlandsverräter. Wer sich öffentlich beschwerte, machte sich sogar strafbar. Die Sozialdemokratie, die eigentlich für die Rechte der Arbeiter kämpfte, war vollständig neutralisiert.

 

Warum akzeptierten die Abgeordneten ihre eigene Entmachtung?

  • Sie hatten Angst vor Anfeindungen und Repressionen.
  • Sie wollten sich der Volksstimmung anpassen.
  • Sie hatten Sorge um ihre bisherigen Errungenschaften.
  • Sie waren der Überzeugung, der Krieg würde nur wenige Wochen dauern.
  • Sie waren der Überzeugung, es handelte sich um  eienn Verteidigungskrieg.

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Zustimmen & anzeigen

Aufgaben:

1. Die SPD war grundsätzlich gegen Krieg. Trotzdem stimmte sie im Reichtstag für die Bewilligung von Kriegskrediten. 
a) Was unternahm der Kaiser, um das Volk und die Politiker auf seine Seite zu ziehen?
b) Wie genau war das Abstimmungsverhalten der SPD-Abgeordneten?

2. Der Kaiser verhängte für die Dauer des Krieges einen "Burgfrieden". 
a) Was gehörte zu diesem Burgfrieden?
b) Was waren die Folgen des Burgfriedens?

3. Warum handelten die SPD-Mitglieder in den Abstimmungen gegen ihre Überzeugung?