4. Die Jagd
Jetzt hast du schon viel erfahren über...
- Klima und Lebensbedingungen in der Altsteinzeit,
- die Waffen und Werkzeuge der Urmenschen und
- die Tiere, die in dieser Zeit gelebt haben.
Natürlich haben die Urmenschen ihre Waffen dazu verwendet, Tiere zu töten, um sie dann zu essen. Denn das anstrengende Leben in ewiger Kälte konnten die Urmenschen nur überstehen, wenn sie energiereiche Nahrung zu sich nahmen. Der Neandertaler hat sich, wie du weißt, fast nur von Fleisch ernährt. Was denkst du, welches Steinzeittier war die beste Nahrungsquelle? Natürlich ein Mammut! Ein getötetes Mammut konnte eine Sippe über den Winter bringen. Doch wie sollte man so ein riesiges Tier töten?
Lies, wie das Mädchen Tulli eine Mammutjagd erlebt hat...
„Mein Name ist Tulli. Ich gehöre zur Sippe der „Turellas“. Sippe bedeutet „Großfamilie“. Unsere Sippe besteht aus 34 Personen. Unser Sippenältester, mein Großvater, ist auch unser Anführer. Wir leben in einer riesigen Höhle. Diese Höhle ist in verschiedene kleinere Räume unterteilt. Insgesamt wohnen in der Höhle meine Großeltern, meine Eltern, viele Tanten und Onkel und insgesamt 13 Kinder zwischen drei und vierzehn Jahren.
Es ist Herbst. Die kalte Jahreszeit beginnt. Unser Fleischvorrat für den Winter ist noch zu gering. Der Sippenälteste hat uns erklärt, dass wir unbedingt noch ein größeres Tier fangen müssen. Großvater kann selbst nicht mehr mit auf die Jagd gehen, er ist schließlich schon 52 Jahre alt! Also kümmert sich mein Vater um den Wintervorrat. Er hat herausgefunden, dass eine größere Mammutherde in der Nähe grast. Er hat ihre Spuren entdeckt. Sie führen zu einem See, in dem die Mammuts Wasser trinken. Die Männer haben nun einen Plan geschmiedet: Sie wollen auf dem Weg zum See ein riesiges Loch graben. In diesem Loch wollen sie einige lange Pfähle eingraben, die oben spitz zugeschnitten sind. Die eingegrabenen Pfähle wollen die Männer dann mit Blättern und Ästen zudecken, damit die Mammuts die Falle nicht entdecken. Der Plan ist, auf diese Weise ein Mammut zu fangen.
Alle Männer machen sich nun an die Arbeit. Auch wir Kinder dürfen helfen! So ein riesiges Loch zu graben, ist nicht so einfach, wie ihr es euch vielleicht vorstellt. Wir haben nur Schaufeln aus Stein, die mit Schnüren an Holzstäben befestigt sind. Steinschaufeln sind sehr schwer. Außerdem rutschen sie oft vom Stab, so dass man sehr vorsichtig graben muss. Das größte Problem ist aber, dass der Boden ja gefroren ist.
Weil alle fleißig mitarbeiten, haben wir es nach zwei Wochen endlich geschafft. Die Grube ist fertig! Zwei Meter breit, vier Meter lang und ebenso tief. Nun dauert es noch einmal vier Tage, bis die Männer ihre Pfähle in die Höhle eingegraben haben. Wir Kinder helfen beim Zudecken der Falle und sammeln Blätter und Äste aus dem Wald.
Nun warten wir gespannt darauf, dass endlich ein Mammut in die Falle tappt und wir es angreifen können.
Tagelang beobachten wir nun die Herde. Doch geschockt stellen wir fest, dass die Mammuts einen ganz anderen Weg zum See nehmen. Als hätten sie geahnt, was wir vorhaben... Einige Männer verfolgen die Herde nun auf ihrem Weg in die Wildnis. Am Nachmittag begeben sich die Mammuts wieder zum See zum Wassertrinken. Ohne lange zu überlegen, beginnt einer der Männer, laut zu schreien und Zweige durch die Luft zu fächern. Der Plan ist, damit ein Tier von der Herde wegzutreiben und zur Grube zu locken. Das klappt auch. Ein stattlicher Jungbulle lässt sich in die Falle locken. Wir hören einen gewaltigen Aufprall. Und dann nur noch die Schmerzensschreie des Tieres. Wir laufen schnell zur Grube und sehen zu, wie das Tier stirbt. Immer wieder stoßen die Männer mit ihren langen Lanzen auf das Tier ein. Es war grausam anzusehen und mir hat das Tier sehr leidgetan. Aber nur so kommen wir zu Nahrung für unsere Sippe für viele Monate.
Endlich regt sich das Tier nicht mehr. Es scheint tot zu sein. Am nächsten Morgen steigen einige Männer in die Grube und fangen damit an, das Mammut zu zerstückeln. Auch jetzt müssen wir Kinder helfen. Wir tragen die Fleischstücke in die Höhle. Dort schneiden die Frauen die Fleischstücke noch kleiner und bringen die Vorräte in einen besonders kalten Teil der Höhle.
Aber nicht nur das Fleisch des Mammuts nutzen wir! Wir können fast alles, was das Beutetier hergibt, verarbeiten. Aus dem Fell nähen wir Kleidung. Große Fellstücke hängen wir vor unsere Zelte, damit es drin wärmer bleibt. Aus den langen Stoßzähnen machen wir Waffen. Die Sehnen und Därme des Tieres benutzen unsere Frauen als Fäden und Schnüre. Das Fett des Mammuts verwenden wir als Brennstoff für Lampen. Aus den vielen kräftigen Knochen des Tieres machen wir Knochennadeln, Waffen, Werkzeuge und viele andere nützliche Gegenstände.
Solch eine Mammutjagd ist immer ein riesiges Ereignis für die ganze Sippe. Wenn ich groß bin, möchte ich selber Mammuts jagen. Darauf freue ich mich schon."*
So könnte es ausgesehen haben, wenn ein Mammut in der Falle festsaß... (Nachstellung aus einem Dinopark)
* In der Altsteinzeit gab es noch keine Schrift und außer der Höhlenmalerei keine Möglichkeit, Erlebnisse festzuhalten. Deshalb ist Tullis Geschichte frei erfunden. Sie entspricht aber den Kenntnissen, die wir aus archäologischen Funden entnehmen können (Knochenreste, Reste und Spuren von Waffen, Werkzeugen, Fallen und Wohnstätten, Höhlenmalereien).