„Die Welt staunt über dieses Wunder“ 

Die Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten

"Die Welt staunt über dieses Wunder" - so hieß es in den Propagandafilmen der Nationalsozialisten, wenn dort die wirtschaftlichen Errungenschaften aufgezählt wurden. Doch was steckt hinter diesem "Wunder"?

 
Um die Wirtschaft zu lenken, errichteten die Nationalsozialisten zweimal VierJahrespläne (1933 und 1936). In diesen Plänn werden drei Ziele erkennbar:
1. Abbau der Arbeitslosigkeit

2. Aufrüstung

3. Autarkie

Im ersten Plan stand der Abbau der Arbeitslosigkeit im Vordergrund, im zweiten Plan die Aufrüstung.

Das erste Ziel: Abbau der Arbeitslosigkeit 

Gute Vorarbeit
Wie hier genauer erklärt wird, konnten die Nationalsozialisten von der guten Vorarbeit der Vorgängerregierung profitieren. Durch Verhandlungen mit den Siegermächten hatte das Deutsche Reich nun keine Kriegsschulden mehr zu bezahlen. Das entlastete die Staatsfinanzen und machte Gelder für staatliche Förderprogramme frei.

Außerdem setzte um 1933 ein Konjunkturaufschwung ein, was den Arbeitsmarkt positiv beeinflusste. In der zurückliegenden lange Krise waren die Löhne sehr stark gesunken – Unternehmen konnten nun Arbeiter für sehr geringe Löhne beschäftigen.

Wirtschaftsexperten der damaligen Zeit glaubten, dass all diese Faktoren schon gereicht hätten, damit sich der Arbeitsmarkt von allein regulieren kann. Sie hielten weitere staatliche Investitionen nicht für notwendig.

 

Staatliche Investitionen

Doch entgegen dieser Ratschläge investierte die NS-Regierung zusätzlich viele Milliarden in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen:

  • Es gab staatliche Investitionen in die Reichsbahn, die Reichspost und den Autobahnbau. Der Bau der Reichsautobahn hat jedoch weniger zum Abbau der Arbeitslosigkeit beigetragen als gedacht: nur 125 000 Personen waren in der Spitze im Autobahnbau beschäftigt.
  • Es gab Steuererleichterungen für die Landwirtschaft, den Wohnungsbau und die Automobilindustrie.
  • Der Staat finanzierte den freiwilligen Arbeitsdienst.
  • Der Staat gab Familien Ehestandsdarlehen , wenn eine arbeitende Frau heiratete und ihren Arbeitsplatz aufgab. Den frei gewordenen Arbeitsplatz konnte dann ein arbeitsloser Mann übernehmen.

 

Und dieses Maßnahmenpaket wirkte: Die Arbeitslosigkeit wurde in vier Jahren auf ein Minimum gesenkt:

 

Januar 1933: 6 Millionen

Jahresdurchschnitt 1933: 4,8 Millionen

1934: 2,7 Millionen

1936: 1,6 Millionen

1937: unter einer Million

 

In einigen Tätigkeitsfeldern gab es 1935 sogar schon Arbeitskräftemangel. Insgesamt wurden zwischen 1933 und 1937 ca. 6 Milliarden Reichsmark in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen investiert, davon 1,684 Milliarden in Verkehrsprojekte, 1,28 Milliarden in den Wohnungsbau und 1 Milliarde in den Bau öffentlicher Gebäude. 

Dieses Foto wurde in den NS-Zeitungen veröffentlicht. Der Untertitel war: „Im ganzen Reich entstehen in planmäßiger Arbeit Tausende von lichten, neuen Häuschen mit ein und zwei Wohnungen, damit die ärmere Bevölkerung systematisch aus dem Elend der Mietskasernen und Wohnbaracken befreit wird.“ 

Das zweite Ziel: Aufrüstung

Am Tag der Machtergreifung gehörten 115 000 Soldaten  zum deutschen Heer, so wie es im Versailler Vertrag vorgesehen war. Hitler verfolgte das Ziel, das Deutsche Reich schnell kriegsfähig zu machen. Schon 1935 war diese Zahl auf 1,1 Millionen Soldaten angestiegen. Zu Kriegsbeginn standen 4,5 Millionen Soldaten bereit.
Jeder Soldat benötigt eine Unterkunft, Kleidung, Verpflegung und Waffen. Die massive Hochrüstung belastete die Staatskassen immens. Allein in den Jahren 1937, 1938 und 1939 wurden jeweils fast 9 Milliarden Reichsmark in den personellen und materiellen Ausbau des Heeres investiert.
Zusätzlich zum Heer wurden außerdem eine moderne Kriegsmarine und die Luftwaffe aufgebaut. Bis zum Jahr 1939 kostete der Aufbau der Marine allein 2,4 Milliarden Reichsmark.
Natürlich konnten die Nationalsozialisten die beiden Ziele Arbeitsbeschaffung und Aufrüstung gut miteinander verbinden. 1935 wurde die Wehrpflicht eingeführt. Viele Arbeitslose bekamen zeitweise oder dauerhaft im Heer unter. Insgesamt wurden die meisten der arbeitslosen Männer in der Rüstungsindustrie oder im Heer beschäftigt. Die schnelle Hochrüstung verschlang immense Kosten. Wo kam das Geld für die massive Aufrüstung her?

 

Finanzierung durch Wechsel

Um sichtbare Schulden zu vermeiden, wurde ein kompliziertes System mit Wechselscheinen errichtet:

Vier Unternehmen gründeten die „Metallurgische Forschungsgemeinschaft“ (MEFO). Diese ließ im Auftrag des Staates Rüstungsgüter produzieren und bezahlte die produzierten Güter mit MEFO-Wechselscheinen. Die Empfänger der Wechselscheine konnten diese dann bei der Reichsbank gegen Geld einlösen. 

Dieses System war aus mehreren Gründen riskant:

1. Nach außen sah es so aus, als ob das Deutsche Reich mit der Aufrüstung – trotz großer Investitionen – keine Schulden machte. Denn die Geschäfte machte die MEFO – und nicht der Staat. In Wahrheit veranlasste aber der Staat die MEFO-Geschäfte – am Ende wurde die Reichsbank mit den Wechselscheinen belastet.


2. Die ganze Finanzplanung basierte auf der Annahme, dass Deutschland schon bald Krieg führen und diesen gewinnen würde. Nur durch einen erfolgreichen Krieg würde man die Staatskassen wieder füllen können.

 

Als Wirtschaftsminister und Reichsbankpräsident war Hjalmar Schacht hauptverantwortlich für die Reichsfinanzen. Er unterstützte das MEFO-System zuerst, äußerte aber gegenüber Hitler immer wieder Bedenken. Er begrenzte die MEFO-Wechsel auf 5 Jahre und bestand darauf, dass in 5 Jahren alle MEFO-Wechsel gegen „echtes Geld“ aus der Reichsbank eingetauscht werden und der MEFO-Handel dann beendet wird. Doch 1938 dachte Hitler nicht daran, den MEFO-Handel zu stoppen und offene Staatsschulden auszugleichen. Stattdessen ergriff er immer riskantere Methoden zur Schuldenverschleierung: Er bezahlte zum Beispiel Rüstungsunternehmen mit „Steuergutscheinen“. Oder er zwang die Sparkassen, im Geld zur Verfügung zu stellen – 

dabei handelte es sich um die Sparguthaben der Bürger. 

 

Um jeglichen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, griff Hitler im Jahr 1939 zu einem drastischen Schritt: Er unterstellte mit dem „Reichsbankgesetz“ die Reichsbank ihm selbst. Hjalmar Schacht, der schon 1937 als Wirtschaftsminister entlassen worden war, verlor nun auch das Amt des Reichsbankpräsidenten. 

Danach waren keine Methoden der Schuldenverschiebung und -verschleierung mehr nötig. Hitler konnte sich nun selbst Kredite in jeder erdenklichen Höhe auszahlen. Bis zum Jahr 1939 wurden 90 Milliarden Reichsmark in Aufrüstung investiert.


Das dritte Ziel: Autarkie

Der Staat griff sehr stark in die Privatwirtschaft ein. Der Außenhandel wurde streng kontrolliert. Deutsche Unternehmer mussten sich jede Einfuhr aus dem Ausland vom Staat genehmigen lassen. Genehmigungen wurden nur erteilt, wenn die einzuführenden Rohstoffe oder Güter für die Rüstungsproduktion benötigt wurden. Auch die Ausfuhr von Gütern wurde streng kontrolliert und mit Strafgeldern belegt.

 

Während die Produktion an Waffen und Munition immer weiter hochgetrieben wurde, wurden immer weniger Güter für den Privatgebrauch hergestellt. Somit war kein Exporthandel möglich, zumal dieser schon aus ideologischen Gesichtspunkten abgelehnt wurde. Ohne Exporthandel fehlten aber auch Devisen. Ohne Devisen war es schwer möglich, Rohstoffe auf dem Weltmarkt einzukaufen. Für den bevorstehenden Krieg wäre es ohnehin erforderlich, genügend Rohstoffe im eigenen Land abzubauen oder Ersatzstoffe zu entwickeln. Wie gut gelang das?

 

Eisenerz

Im Deutschen Reich gab es zu wenig und vor allem minderwertiges Eisenerz. Trotzdem wurde nun der Abbau dieser Erze gesteigert. Weil der Abbau kostspielig und unrentabel war, weigerten sich deutsche Firmen der Schwerindustrie, sich daran zu beteiligen. Also wurden die staatlichen „Reichswerke Hermann Göring für Erzbau und Eisenhütten“ gegründet. Diese Firma übernahm den Abbau der Eisenerze. Zur Finanzierung wurden privatwirtschaftliche Firmen gezwungen, Aktien dieser Firma zu übernehmen. Nach dem Anschluss Österreichs wurde die österreichische Eisenerzproduktion übernommen. Trotz aller Bemühungen lag der Selbstversorgungsgrad zu Kriegsbeginn nur bei 50%. 

 

Buna

Fahrzeugreifen bestehen aus Gummi, deren Hauptbestandteil Kautschuk ist. Naturkautschuk wird aus dem Kautschukbaum gewonnen, der nur in Südamerika und Asien wächst. Für den kommenden Krieg wurden viele Fahrzeuge, also auch viele Fahrzeugreifen, benötigt. Im Zuge der Autarkiepolitik mussten die nationalsozialistischen Planer einen Ersatz für Kautschuk finden.

Deutsche Chemiker entwickelten deshalb den Kautschuk-Ersatzstoff „Buna“, der ab 1935 von der Firma IG Farben in Schkopau und Korbetha produziert wurde. In der Gegend waren beide Grundstoffe für die Buna-Produktion vorhanden: Braunkohle und Wasserstoff (aus den benachbarten Leuna-Werken). Später kamen zwei weitere Werke für die Buna-Produktion hinzu. Das vierte Buna-Werk entstand 1941 auf dem Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz. 

Die Buna-Produktion war äußerst kompliziert und aufwändig. Man benötigte dafür eine gewisse Menge an Naturkautschuk, der durch die Handelsblockaden schwer beschafft werden konnte. Außerdem erforderte die Buna-Produktion einen immensen Energieverbrauch.

Kraftstoffe

Auch Kraftstoffe wurden synthetisch hergestellt. Schon während des Ersten Weltkriegs wurde an synthetischen Kraftstoff auf Kohle-Basis geforscht. Dieser wurde ab 1927 als „Leuna-Benzin“ verkauft.

Der Bedarf an synthetischen Kraftstoff stieg während des Krieges immer weiter an. 1943 gab es ganze 23 Werke, die Kohle-Kraftstoff produzierten. Der Bedarf an Kraftstoffen konnte trotzdem nicht im eigenen Land gedeckt werden.

Die Abhängigkeit von ausländischem Erdöl blieb bestehen.

 

Lebensmittel

Der Bedarf an Grundnahrungsmitteln (Getreide, Kartoffeln, Gemüse und Fleisch) konnte zu 90 bis 100% aus dem eigenen Anbau im Deutschen Reich gedeckt werden. Die Fettversorgung gelang aus deutscher Produktion nur zu 40 bis 50%. 

Insgesamt blieb die Versorgung mit Konsumartikeln mangelhaft. Der Staat versuchte, das Interesse der Bürger auf die Produkte zu lenken, die vorhanden waren. Ein Beispiel: Der Fleischverbrauch lag 1938 immer noch unter dem von 1929. Der Verbrauch um Marmelade verdreifachte sich hingegen. Doch keiner beschwerte sich über nicht vorhandene Produkte. Erstens waren die Leute Mangel und Hunger nach dem Ersten Weltkrieg gewohnt. Außerdem hatten die Nationalsozialisten Enthaltsamkeit und Sparsamkeit zu deutschen Tugenden erklärt.

Der KdF-Wagen – ein leeres Versprechen

Im weltweiten Vergleich gab es im Deutschen Reich um 1930 nur wenige Automobile:

Deutsches Reich: 500 000 Automobile

Frankreich: 1,5 Millionen Automobile

Großbritannien: 1,5 Millionen Automobile

USA: 26 Millionen Automobile

 

Das sollte sich ändern. Die Deutschen sollten Autofahrer werden. Im Zuge der Gleichschaltung sollte ein einziges Automobil entwickelt werden, das für alle attraktiv ist: Es sollte 100 km/h schnell fahren, Platz für 4 Personen bieten, wenig Benzinverbrauchen und günstig in der Anschaffung sein. Die Entwicklung und Produktion sollte die NS-Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) übernehmen. Der KdF-Wagen wurde von Ferdinand Porsche entworfen. Er sollte 990 Reichsmark kosten. Eine überall präsente Werbekampagne versprach: „Fünf Mark die Woche musst Du sparen – willst Du im eignen Wagen fahren.“ Schon bevor der erste Stein des Autowerks gesetzt war, hatten Hunderttausende einen Sparvertrag abgeschlossen. Danach musste man an speziellen Ausgabestellen jede Woche eine Sparmarke für 5 Reichsmark erwerben und sammeln. War der Sparvertrag einmal unterschrieben, konnte man nicht mehr zurücktreten. Der für die Produktion verantwortliche Robert Ley versprach, dass die Produktion des KdF-Wagens allein durch die geleisteten Vorauszahlungen der Sparer finanziert werden könne. Zwischen Dezember 1938 und Oktober 1944 wurden 336638 Sparverträge abgeschlossen und für den Bau der Autos 289 Millionen Reichsmark eingenommen.

Die große Mehrheit der Sparer verfügten über ein Monatseinkommen von 300 bis 360 Reichsmark, so dass die wöchentlichen 5 Reichsmark den Geldbeutel schon merklich belasteten. In der Nähe von Fallersleben wurde für die Produktion des Wagens eine eigene moderne Stadt gegründet. Sie hieß zuerst „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“. Heute heißt sie Wolfsburg.

Insgesamt wurden ganze 630 KdF-Wagen gebaut. Diese wurden aber nicht an Privatpersonen ausgegeben, sondern an militärische Dienststellen. Statt Autos für den Privatgebrauch wurden in der neuen Autostadt ab 1941 Kübelwagen, Schwimmwagen, Flugzeugteile und die „Vergeltungswaffe“ V1. Nach dem Krieg waren die Sparkarten, egal wie viele Sparmarken sie enthielten, wertlos. Der KdF-Wagen blieb eines der vielen leeren Versprechen des NS-Regimes.

Zusammenfassung

Zu ihrem Machtantritt machten die Nationalsozialisten ein großes Versprechen: „Wir bekämpfen die Arbeitslosigkeit!“ Sie wussten, dass sie an diesem Versprechen gemessen werden. Nur wenn sie es einlösen, wird das Volk dauerhaft hinter ihnen stehen, die Ideologie und die Kriegspläne mittragen.

Also investierten die Nationalsozialisten Milliarden in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Nicht im Autobahnbau, sondern in der Rüstungsindustrie fanden die meisten Menschen Arbeit. Denn die NS-Regierung verknüpfte die Arbeitsbeschaffung mit ihren Kriegsplänen. 

Es gelang der Regierung nicht, einen Wirtschaftskreislauf in Gang zu setzen, bei dem privatwirtschaftliche Firmen Waren produzieren und verkaufen und der Staat dabei Steuern abgreifen kann. Import und Export wurden aus ideologischen Gründen und aufgrund des bevorstehenden Krieges abgelehnt. Die künstliche Herstellung von Kraftstoffen und Kautschuk war aufwändig und unrentabel.

Bei vielen Gütern des privaten Bedarfs herrschte Mangel. Die Bürger nahmen das ohne sich zu beschweren hin – weil sie Hunger gewohnt waren und an den baldigen großen Sieg glaubten. 

Insgesamt war die Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten ein großes Luftschloss. All die teuren Projekte sollten sich später auszahlen – wenn das Deutsche Reich den Krieg gewonnen hat. Die Methoden wurden zwischen 1933 und 1939 immer dubioser und waren am Ende schlichtweg kriminell.

Mehrmals stand das Deutsche Reich zwischen 1936 und 1939 kurz vor dem Staatsbankrott. Die wenigen Wirtschaftsexperten, die 1939 überhaupt noch zu Hitler durchdrangen, drängen darauf, nun den Krieg zu beginnen, um den finanziellen Zusammenbruch des Deutschen Reiches noch aufzuhalten…