Das Gilgamesch-Epos
Das älteste Märchen der Welt
Wie wurde Uruk so eine schöne Stadt? Und wie wurde aus einem bösen König ein guter König? Das erzählt uns das älteste Märchen der Welt...
Vor ungefähr 4600 Jahren lebte im Vorderen Orient, zwischen den beiden Flüssen Euphrat und Tigris, das Volk der Sumerer. Über die Sumerer herrschte der grausame König Gilgamesch. Er hatte einen furchtbaren Charakter. Ihm war nur sein eigenes Wohlergehen wichtig. Seine Herrscherpflichten interessierten ihn nicht. Er behandelte seine Untertanen wie Sklaven.
Immer wenn ein Pärchen heiratete, verlangte Gilgamesch, die erste Nacht mit der Braut zu verbringen. Erst in der zweiten Nacht durfte die Frau zu ihrem Bräutigam.
Gilgamesch führte ein abenteuerliches Leben. Er war furchtlos und wollte seine Kräfte am liebsten mit der ganzen Welt messen. Er war ein grausamer Tyrann. Sogar beim Ballspiel drosch er gradenlos auf seine Gegner ein. Seine Untertanen litten fürchterlich unter ihm. Als sie keinen Ausweg mehr sahen, beschwerten sie sich über Gilgamesch bei den himmlischen Mächten.
Enkidu betritt die Bühne
Die Götter erhörten Gilgameschs Untertanen und entschieden, den starken und tugendhaften Enkidu in die Stadt zu schicken, in der Gilgamesch lebte.
Enkidu war genauso furchtlos wie Gilgamesch. Er sollte dem selbstherrlichen König die Stirn bieten und ihm lehren, wie sich ein guter König verhält.
Der Kampf zwischen Gilgamesch und Enkidu
Enkidu kam in Uruk an und forderte Gilgamesch sofort zum Kampf heraus. Er stellte sich vor das Hochzeitshaus, in dem die Bräute ihre erste Nacht mit Gilgamesch verbringen mussten. Enkidu versperrte dem König den Zugang zu diesem Hochzeitshaus und redete empört auf Gilgamesch ein, was ihm einfalle, die Frauen hier festzuhalten. Enkidu warnte den König, seine Macht nicht zu missbrauchen. Zum ersten Mal versuchte jemand, Gilgamesch seine Grenzen zu zeigen. Wutentbrannt ging Gilgamesch auf Enkidu los. Es kam zum erbitterten Kampf zwischen den beiden. Der Kampf dauerte die ganze Nacht. Am Morgen stand kein Sieger fest, beide lagen völlig entkräftet am Boden. Gilgamesch hatte nun endlich einen Menschen gefunden, der ihm gewachsen war und der genauso stark war wie er. Seine Wut wandelte sich in Bewunderung. Er wollte Enkidu von nun an immer an seiner Seite haben.
So wurde Enkidu Gilgameschs Gefährte. Von nun an waren die beiden nur noch zu zweit unterwegs. Gemeinsam regierten sie in Uruk, der sumerischen Hauptstadt. Durch Enkidu blühte die Stadt langsam auf. Zum Beispiel entstand das Töpferhandwerk. Der Handel mit Töpferwaren machte Uruk zur reichen Stadt.
Gilgamesch und Enkidu im Zedernwald
Gilgamesch und Enkidu wollten Uruk mit prächtigen Bauwerken verschönern. Dafür brauchten sie Zedernholz, dass es in Sumer nicht gab. Um Zedernholz zu bekommen, mussten sie in den Zedernwald reisen und dort den Dämon Chumbaba bezwingen. Die Reise zum Zedernwald dauerte ganze drei Monate. Die beiden liefen den ganzen Tag und schliefen nachts unter freiem Himmel. Gilgamesch schlief schlecht, weil ihn große Alpträume plagten. Denn er fürchtete sich vor dem Kampf mit dem Dämon. Enkidu konnte Gilgamesch kaum trösten. Er bat die Götter um Hilfe.
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Schamasch, der Herr der Sonne, empfahl den beiden eine schnelle Reise. Wenn sie den Dämon bezwingen wollten, sollten sie in zwei Wochen im Zedernwald sein. Als sie dort ankamen, lockten sie gleich den Dämon in den Wald. Die Götter halfen Gilgamesch und Enkidu, in dem sie fürchterliche Stürme sendeten. Gilgamesch gewann den Kampf gegen Chumbaba und tötete diesen. Gilgamesch und Enkidu konnten Zedernbäume fällen und in die Heimat bringen lassen.
Die Schutzgöttin Inanna Ishtar
Doch trotz des guten Einflusses durch Enkidu hatte Gilgamesch seine Hochnäsigkeit noch lange nicht abgelegt. Das musste nun die Schutzgöttin der Stadt Uruk erfahren, Inanna Ishtar. Sie wurde in Uruk über alle Maßen verehrt, zum Beispiel mit einem riesigen Tempel und der „Heiligen Hochzeit“.
Bei dieser Zeremonie musste der König Gilgamesch an einem bestimmten Tag im Jahr eine Priesterin im Tempel empfangen. Dieses Jahr traute er seinen Augen kaum – keine Priesterin, sondern die Göttin Ishtar selbst stand vor Gilgamesch und wollte mit ihm die „Heilige Hochzeit“ veranstalten. Sie wollte ihn sogar verführen und zum Ehemann nehmen.
Und was tat Gilgamesch? Er wies sie ab: „Welchen deiner Liebhaber hast du für lange geliebt? Mir wird es genauso gehen!“ Völlig vor den Kopf gestoßen verschwand die Göttin Ishtar aus dem Tempel.
Enkidus Tod
Das war ein unerlaubter Aufschrei eines Menschen gegenüber einer Gottheit – nun hatten die Götter endgültig genug von Gilgameschs Hochnäsigkeit! Sie sahen ein, dass sich Gilgamesch durch Enkidu überhaupt nicht gebessert hatte. Sie entschieden, sich fürchterlich an Gilgamesch zu rächen. Sie sandten Enkidu ein starkes Fieber, an dem er starb.
Gilgamesch war durch Enkidus Tod mehr als geschockt. Er versank in so tiefer Trauer, dass sein Klagelied bis hinauf zu den Göttern drang. Er beschloss, sein Leben nun radikal zu ändern. Er legt alle Zeichen seiner Macht ab und wollte kein König mehr sein. Weil er Enkidus Tod nicht verkraften konnte, wollte er nun selbst unsterblich werden.
Der Weg zur Unsterblichkeit
Um unsterblich zu werden, musste Gilgamesch zu Utnapischtim reisen. Denn dieser war unsterblich und musste wissen, wie das geht. Utnapischtim war ein verehrter Held, der die Sintflut besiegt hatte. Er wohnte am Ende der Welt, der Weg dorthin war weit und sehr beschwerlich. Um zu Utnapischtim zu gelangen, musste man das Meer des Todes überqueren.
Als Gilgamesch endlich vor Utnapischtim stand, fragte er sofort nach dem Geheimnis der Unsterblichkeit.
Das Ende der Welt
Doch Utnapischtim beschimpfte Gilgamesch erst einmal als selbstsüchtigen Versager. Utnapischtim erklärte, dass er die Unsterblichkeit von den Göttern erlangt hat – als Dank dafür, dass er die die Sintflut besiegt hat: „Womit hast du die Unsterblichkeit verdient? Welche großen Taten hast du vollbracht?“ fragte Utnapischtim Gilgamesch.
Gilgamesh kurz vor der Überquerung des Todesmeeres
Die Schlange
Trotzdem erfüllte Utnapischtim Gilgameschs Wunsch und verriet ihm, dass das Kraut ewiger Jugend im Süßwasser-Ozean wächst. Gilgamesch pflückte das Kraut und begab sich auf den Heimweg. Er übernachtete wieder unter freiem Himmel und dachte nicht daran, sein wertvolles Kraut zu schützen.
Eine Schlange schlich sich heran und fraß das Kraut ewiger Jugend einfach auf. Sofort warf die Schlange ihre Haut ab und verjüngte sich. Seither können alle Schlangen für alle Zeit ihre Haut regelmäßig erneuern. Die Menschen aber müssen weiterhin sterben, weil für sie die Pflanze der ewigen Jugend verloren ist.
Die Erkenntnis
War die Reise mit all den Anstrengungen und Strapazen für Gilgamesch umsonst? Nein. Hinter ihm lag keine sinnlose Reise, sondern der schwere Weg der Erkenntnis. Utnapischtim hat ihm endlich klargemacht, dass er kein guter Herrscher für sein Volk war. Und dass er seine Kräfte für die falschen Dinge verschwendete. Endlich begriff Gilgamesch, dass er ein Mensch wie alle anderen war und dass er genauso sterben musste wie alle anderen. Und das wichtigste: dass er nur durch gute Taten unsterblich werden konnte. Er verstand nun, was seine eigentliche Bestimmung war: seine Untertanen zu beschützen und zu versorgen.
Und damit begann er sofort, als er in seine Stadt Uruk zurückkam. Er begann ein gigantisches Bauprojekt, mit dem er seine Vision von einer blühenden Stadt umsetzte. Er ließ Milliarden von Lehmziegeln anfertigen. Alle Arbeiter des Sumerischen Reiches arbeiteten und ließen die schönsten Bauwerke entstehen. Doch das Glanzstück war die Schutzmauer, die Gilgamesch um Uruk herum bauen ließ. Sie wurde ganze neun Meter hoch und elf Kilometer lang und hat die Stadt viele Jahrhunderte vor Feinden beschützt. Bis an sein Lebensende war Gilgamesch seinen Untertanen ein guter Herrscher.
Die Aufgaben zum Text:
1. Wer war nochmal wer? Löse das Lernspiel.
2. Beantworte die folgenden Fragen mit jeweils einem Satz:
a) Wie war Gilgameschs Charakter, bevor eher Enkidu traf?
b) Mit wem mussten Uruks Frauen ihre erste Nacht nach der Hochzeit verbringen?
c) Wie wurden Gilgamesch und Enkidu Freunde?
d) Gilgamesch und Enkidu brauchten Holz zum Bauen. Wen mussten sie besiegen, um in den Zedernwald zu kommen?
e) Warum musste Enkidu sterben?
f) Welchen Plan fasste Gilgamesch nach Enkidus Tod?
g) Gilgamesch brauchte Utnapischtims Hilfe. Warum wollte Utnapischtim ihm nicht helfen, unsterblich zu werden?
h) Gilgamesch bekam dann doch das Kraut ewiger Jugend. Wie verlor er es wieder?
i) Gilgamesch wollte unsterblich werden. Wie hat er "unsterblich werden" gemeint und wie ist er am Ende wirklich "unsterblich geworden"?
Im Film wird erklärt, wie wir überhaupt vom Gilgamesch-Epos erfahren haben...
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