Der Wiener Kongress

Mit der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 war seine Zeit zu Ende. Das Problem war: Er hatte Europa komplett umgestaltet. Er hatte Machthaber abgesetzt, andere eingesetzt. Er hatte Fürstentümer aufgelöst und neue gegründet.
Wie sollte es nun weitergehen? Bleibt Europa, wie Napoleon es umgestaltet hatte oder sollten all seine Beschlüsse wieder rückgängig gemacht werden? Um das zu besprechen, lud der österreichische Staatskanzler Fürst Klemens von Metternich alle europäischen Machthaber im November 1814 nach Österreich ein – zum „Wiener Kongress“. 
Es gab zu diesem Zeitpunkt ungefähr 200 europäische Staaten, Fürstentümer und unabhängige Städte, für die Entscheidungen getroffen werden mussten. Eine Neuordnung Europas aufzustellen, war deshalb sehr kompliziert. Auf dem Wiener Kongress wurden dafür Ausschüsse gebildet. Jeder Ausschuss beschäftigte sich mit einzelnen Teilfragen. Grundsätzlich unterschied man die „deutsche Frage“ und die „europäische Frage“.

Die Teilnehmer

 

Die wichtigsten Entscheidungen wurden von Vertretern der fünf Großmächte getroffen:

  • Großbritannien
  • Österreich
  • Preußen
  • Russland
  • Frankreich

Britischer Außenminister Robert Castlereagh

Österreichischer Staatskanzler Klemens Fürst von Metternich

Preußischer Außenminister Karl August Fürst von Hardenberg

Russischer Zar Alexander I.

Französischer Außenminister Talleyrand-Perigord

Der Vertreter Frankreichs hatte zuerst nur einen Beobachterstatus.  Erst ab Januar 1815 wurde er in die Verhandlungen mit einbezogen.

 

Die Grundsätze

Die Arbeit des Kongresses erfolgte nach fünf Grundsätzen:

1. Restauration: Die politische Ordnung sollte wiederhergestellt (restauriert) werden.

2. Legitimität: Es sollten Rechtsgrundlagen geschaffen werden, so dass die Wiederherstellung der alten Herrschaft rechtmäßig (legitim) erfolgen konnte.

3. Souveränität: Die Eigenständigkeit (Souveränität) einer Monarchie sollte sichergestellt werden.

4. Solidarität: Alle Machthaber verpflichteten sich, revolutionäre Bewegungen in den einzelnen Reichen gemeinsam niederzuschlagen. Es sollte einen Zusammenhalt (Solidarität) der Herrscher gegen ihre Völker geben.

5. Gleichgewicht: Innerhalb Europas sollte es fünf gleich starke Mächte geben. Das sollte Stabilität und Sicherheit gewährleisten und gegenseitige Übergriffe verhindern.

Territoriale Fragen

Frankreich, Großbritannien und Österreich stellten keine territorialen Forderungen. Preußen und Russland äußerten hingegen Forderungen bezüglich Gebietsgewinnen:

  • Preußen verlangte die Übernahme des Königreiches Sachsen. Schließlich hatte Sachsen auf der Seite Napoleons gegen Preußen gekämpft und verloren. Nach damaligen Vorstellungen übernahm der Kriegsgewinner das Gebiet des Verlierers. 

 

  • Den Vertretern des Russischen Reiches schwebte vor, Polen zu übernehmen. 

 

Die anderen Mächte wollten diesen Forderungen keinesfalls nachkommen. Denn mit den derartigen Vergrößerungen der Territorien hätte sich das Mächtegleichgewicht erheblich zugunsten Preußens und Russlands verschoben. Für einen kurzen Zeitpunkt schlossen Preußen und Russland einen Pakt und wollten gemeinsam für ihre Gebietsforderungen kämpfen. Sogar ein Krieg stand im Raum. Da alle Parteien, auch Preußen und Russland selbst, eine weitere Eskalation verhindern wollten, reduzierten sie ihre Forderungen. Preußen wurde ein Fünftel des sächsischen Gebiets zugesprochen, außerdem einige weitere kleine Gebiete (vorwiegend westpolnische Gebiete).

Russland erhielt den östlichen Teil Polens. Polen wurde also zwischen Preußen und Russland aufgeteilt. Die Hoffnung der Polen, ein eigenständiger Staat werden zu können, erfüllten sich nicht. 

 

  • Österreich verlor auf dem Wiener Kongress Teile der Niederlande und den Breisgau, gewann aber Gebiete Südeuropa zurück: Tirol, Vorarlberg, Kärnten, Krain, Triest, Galizien, Mailand, Venetien, Dalmatien und Salzburg. 


  • Das Königreich Bayern bekam die Pfalz zurück.

 

All diese Vergrößerungen sollten die Reiche gegenüber Frankreich stärken und Frankreich an erneuten militärischen Übergriffen hindern.

Deutlich erkennbar ist das Bestreben, die Mittelstaaten an der Ostgrenze Frankreichs zu stärken. Die Niederlande wurden zum Nationalstaat vergrößert und auch die Schweiz wurde neutraler Nationalstaat.

Europa vor dem Wiener Kongress

Europa nach dem Wiener Kongress

Der Deutsche Bund

Als Teil seiner Umgestaltung Europas hatte Napoleon viele kleine deutsche Fürstentümer zu größeren zusammengelegt. Dadurch wurde die Verwaltung vereinfacht, aber auch viele Fürsten entmachtet. Wie sollte es nun weitergehen – werden die hunderte Kleinstaaten wiederhergestellt oder bleiben die größeren Fürstentümer erhalten? Auch diese Frage wurde auf dem Wiener Kongress gelöst. Aus dem Rheinbund sollte der Deutsche Bund werden.

 

Diese Beschlüsse wurden getroffen:

  • Der Deutsche Bund wurde kein souveräner Staat, sondern blieb ein Staatenbund einzelner souveräner Fürstentümer. Zum Deutschen Bund sollten 35 Einzelstaaten und 4 Städte gehören. Die größten und einflussreichsten Teilstaaten waren Österreich und Preußen. Der Deutsche Bund sollte lediglich von einzelnen bundesstaatlichen Elementen zusammengehalten werden.

 

  • Ziele des Deutschen Bundes waren die innere und äußere Sicherheit Deutschlands und die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.

 

  • Einziges Bundesorgan war die Bundesversammlung (später „Bundestag“). Dort sollten Gesandte der Mitgliedsstaaten über die Fragen beraten, die alle Fürstentümer angingen. Die Bundesversammlung sollte immer in Frankfurt am Main stattfinden. Österreich hat den Vorsitz auf der Bundesversammlung.

 

  • Innerhalb der Bundesversammlung sollte ein „Engerer Rat“ gebildet werden. Im „Engeren Rat“ hatten die 11 größten Staaten jeweils eine Stimme, die restlichen kleineren Staaten hatten zusammen weitere 6 Stimmen.

 

  • Der Deutsche Bund sollte kein einendes Staatsoberhaupt besitzen und auch keine gemeinsame Regierung oder Volksvertretung. Auch ein gemeinsames Bundesgericht sollte es nicht geben.

 

  • Alle Bundesländer verpflichteten sich, sich gegenseitig zu bekriegen oder Streitigkeiten gewaltsam auszutragen. Konflikte sollten auf der Bundesversammlung besprochen und gelöst werden.

 

  • Alle drei Glaubensrichtungen waren in allen Staaten des Deutschen Bundes gleichgestellt. Ob und welche Bürgerrechte den Juden gewährt werden, konnte aber jeder Bundesstaat für sich entscheiden. Der Vorschlag, Juden einheitlich alle Bürgerrechte per Bundesakte zu gewähren, wurde mehrheitlich abgelehnt.

 

  • Eine Regelung über bundeseinheitliche Zollregeln und einen freien Handelsverkehr wurde vorgeschlagen, aber nicht beschlossen.

 

Beschluss und Gültigkeit

Die Deutsche Bundesakte wurde am 8. Juni 1815 fertiggestellt und wurde am 9. Juni Teil der Wiener Kongressakte. Am 10. Juni folgte die Unterzeichnung, so dass alle Beschlüsse für Deutschland und Europa nun verbindlich waren.

 

Aufgaben:

1. a) Von wann bis wann fand der Wiener Kongress statt?
b) Überlege: Warum fand der Kongress in Österreich statt?

2. Welche 5 Großmächte trafen auf dem Wiener Kongress die wichtigsten Entscheidungen?

3. Welche beiden Länder erhoben Gebietsansprüche und wie wurden die Forderungen erfüllt?

4. Aus dem Rheinbund wurde der Deutsche Bund. War der Deutsche Bund nun ein vereinter deutscher Staat? Entscheide und begründe.