Die Jugend ist der Schlüssel
Der nationalsozialistische Schriftsteller Konrad Heiden schrieb im Jahr 1934: „Wenn es heute noch in Deutschland Leute gibt, die sagen, wir fügen uns nicht in eure Gesellschaft, sondern wir werden nach wie vor da sein, dann antworte ich: Ihr werdet vergehen, aber nach euch wird einen Jugend kommen, die nichts anderes mehr kennt!“
Erika Mann, die Tochter des berühmten Schriftstellers Thomas Mann, gehörte vor 1933 zu den Menschen, die die Nationalsozialisten offen kritisiert haben. Nach der Machtergreifung flüchtete sie ins Ausland, um einer Verhaftung zu entgehen. Aus dem Exil beobachtete sie die Entwicklung des Deutschen Reiches und besonders der Erziehungs- und Bildungspolitik. Ihre Erkenntnisse fasste sie im Buch "Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich." zusammen. Dieses Buch erschien erstmals im Jahr 1938 und gibt heute wertvolle Einblicke.
Erika Mann über das Leben im Nazi-Deutschland:
„Das Leben aller Menschen in Deutschland hat sich wesentlich geändert, seit Adolf Hitler dort Reichskanzler wurde. Der Wechsel von der Demokratie zur nationalsozialistischen Diktatur ist ebenso bestimmend für die private wie für die politische Existenz des Volkes.“
Erika Mann über das Leben der Kinder im Nationalsozialismus:
„Das was der „Führer“ die "nationalsozialistische Weltanschauung" nennt, hat für jeden deutschen Staatsangehörigen Evangelium zu sein, und die Pläne des Führers sind ebenso heilig wie die Mittel, deren er sich zu ihrer Ausführung bedient. Keine Menschengruppe aber im besonderen wurde so sehr, so entscheidend erfaßt von den Wandlungen, welche die Nazi-Diktatur im Leben ihrer Untertanen vornahm, wie die Kinder. Denn während der erwachsene Deutsche zwar erstens Nationalsozialist zu sein hat, zweitens aber doch vorläufig noch Ladenbesitzer oder Fabrikant sein mag, ohne daß sein Laden oder seine Fabrik verstaatlicht worden wären, ist das deutsche Kind schon heute ein Nazi-Kind und nichts weiter. Die Schule, die es besucht, ist eine Nazi-Schule, die Jugendorganisation, der es angehört, ist eine Nazi-Organisation, die Filme, zu denen man es zuläßt, sind Nazi-Filme, und sein Leben gehört ohne Vorbehalt dem Nazi-Staat.“
Darum waren gerade die Kinder so wichtig:
Die Jugend stellt „vermöge ihrer Unwissenheit, beinahe immer die Stelle des schwächsten Widerstandes dar, zweitens aber werden die Kinder von heute die Erwachsenen von morgen sein, und wer sie wirklich erobert hat, mag sich schmeicheln, Herr der Zukunft zu sein.“
Über die Unmöglichkeit, als Jugendlicher der Nazi-Ideologie zu entkommen:
„Es wird Hitler-Deutschland dafür gesorgt, daß die Jugend nach dem Willen des „Führers“ lebt und daß sie kein Vorbild kennt als das des „Führers“. Die Instanzen, denen Gewalt über sie gegeben ist, heißen Nazi-Schule und Nazi-Jugendorganisationen.“*
Quelle:
*Erika Mann: Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. ro ro ro Verlag (9. Aufl.), Hamburg (2021), S. 21ff.
** https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/widerstand/jugendopposition