Gleichstellung
und
Hass
Die "Judenemanzipation"
In der Französischen Revolution hatten sich die Aufständischen für Frankreich viele Mitbestimmungsrechte, vor allem, dass jeder Mensch vor dem Gesetz gleichbehandelt werden sollte. Damit war gemeint, dass Adlige nicht besser gestellt sein sollen als einfache Bürger. Doch Gleichheit vor dem Gesetz bedeutete auch, dass Juden gesetzlich gleichgestellt werden mussten. Ein neuer Geist ging durch Europa.
1812 erließ Preußen das Juden-Edikt, welches den Juden weitgehende Niederlassungs-, Handels- und Gewerbefreiheit gewährte. 1813 erlaubte Bayern den Juden den Erwerb von Grund und Boden.
Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871 erfolgte die vollständige rechtliche Gleichstellung und der Wegfall aller Beschränkungen gegen jüdische Personen.
Der Hass bleibt
Doch solche Beschlüsse von oben waren nur Fassade. Unter dieser Fassade schwelte der Judenhass, eine Mischung jahrhundertealter Gerüchte und Vorurteile, umso stärker weiter. Jede Wirtschaftskrise wurde auf die „strippenziehenden Geldjuden“ geschoben, das wilde Großstadtleben in den „Goldenen Zwanzigern“ in Berlin wäre das Werk jüdischer Drogen- und Prostituiertenhändler und so weiter.
Hetzschriften
Zu dieser Zeit waren viele Hetzschriften gegen Juden im Umlauf, in denen „die Entjudung“ oder das „Unschädlichmachen“, „die Entfernung“ oder „das Ausmerzen“ von Juden gefordert wurde, also schon die ersten Vernichtungsphantasien. Ein Autor äußerte die Angst, der „germanische Volksgeist“ könnte durch den „jüdischen Schmarotzer“ verkümmern. Das griff Adolf Hitler später auf, als er in „Mein Kampf“ die Juden als Parasit im Körper anderer Völker bezeichnete, der immer neuen Nährboden für seine Rasse suchen würde. Wie ein schädlicher Bazillus würde sich der Jude immer weiter ausbreiten und dort, wo er sich ausbreitet, würde das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit absterben.
Neben diesen Hetzschriften gab es unzählige judenfeindliche Vereine und Parteien, die offene Judenfeindschaft betrieben. Diese Vereinigungen wollten die rechtliche Gleichstellung der Juden rückgängig machen und Überfremdungsängste schüren.
Zur Lösung der „Judenfrage“ schlugen die Vereine vor,
- die Juden zu entrechten und sie unter Fremdengesetzgebung zu stellen,
- Einwanderungsverbote für „Ostjuden“ zu verhängen und
- jahrhundertelang in Deutschland ansässige Juden zu vertreiben.
Großen Einfluss übte das 1880 erschienene Buch „Die Judenfrage“ aus. Sein Verfasser Eugen Dühring vertrat die Auffassung, dass das Judentum nicht als Religion, sondern als Rasse zu betrachten sei. Er forderte: „Für einen Ausnahmestamm braucht man Ausnahmeverhalten und eine Ausnahmegesetzgebung.“ Außerdem sprach er sich für die rigorose Ausgrenzung der Juden, einen Zulassungsstopp für den Öffentlichen Dienst (vor allem für die Justiz) und eine „Entjudung“ der Presse aus.
All diese Forderungen, 1880 von Eugen Dühring aufgestellt, fanden sich 1920 im NSDAP-Parteiprogramm wieder.