Der Frankreichfeldzug


Die Vorgeschichte

Um Lebensraum im Osten zu gewinnen, so war Hitler sich sicher, müsste man zuerst Krieg gegen den Westen führen. Oder anders gesagt: Frankreich muss ausgeschaltet werden, um danach ohne Beteiligung der Franzosen einen Feldzug gegen die Sowjetunion führen zu können.
 
Sowohl Frankreich als auch Großbritannien taten im Anbetracht deutscher Kriegsvorbereitungen alles, um einen Krieg abzuwenden. Sie verzichteten auf eine Aufrechterhaltung des Versailler Vertrages, duldeten die Besetzung des Rheinlandes, den Anschluss Österreichs und unterzeichneten bereitwillig das Münchner Abkommen, mit dem dem Deutsche Reich das Sudetenland zugesprochen wurde. Als die deutsche Regierung dann aber daran ging, auch noch die Rest-Tschechei zu zerschlagen und damit das Münchner Abkommen zu verletzen, war es vorbei mit der französisch-britischen Appeasement-Politik.

Nun bemühten sich Frankreich und Großbritannien darum, Bündnisse mit anderen Ländern gegen das Deutsche Reich zu schließen. Für Polen, Rumänien und Griechenland gab es Garantieerklärungen. Mit der Türkei und der Sowjetunion wurde über Beistandsverträge verhandelt, wobei der Vertrag mit der Sowjetunion am wichtigsten gewesen wäre. Doch Hitler torpedierte das Zustandekommen eines solchen Vertrages, indem er selbst 1939 mit Stalin den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt aushandelte.

Die beharrliche Appeasement-Politik Frankreichs und Großbritanniens versetzte Hitler in den Glauben, dass die beiden Mächte auch weiterhin jeder militärischen Konfrontation aus dem Weg gehen würden. Auch auf den Angriff auf Polen würden die beiden Westmächte sicher nicht reagieren. Doch da hatte er sich geirrt. Zwei Tage nach dem Überfall auf Polen erfolgten die Kriegserklärungen Frankreichs und Großbritanniens an das Deutsche Reich.

 

Die Ausgangssituation

Weil Frankreich im Ersten Weltkrieg bei Angriffen massive Verluste erlitten hatte, setzte die französische Heeresführung nun nicht auf Angriff, sondern auf Verteidigung. Die Maginot-Linie, ein schon bestehender Verteidigungswall entlang der deutsch-französischen Grenze, wurde verstärkt und gesichert.


Zwischen den Fronten

In der ungünstigen Lage zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich erklärten Belgien, Holland und Luxemburg schon vor Kriegsbeginn ihre Neutralität. Weil die Deutschen aber sicherlich über Holland, Belgien und Luxemburg nach Frankreich vorstoßen würden, trafen diese Länder geheime Absprachen mit Frankreich über die gemeinsame Sicherung der Grenzen. Eine wichtige Verteidigungslinie war die  „Dyle-Breda-Stellung“. Sie verlief mitten durch Belgien und sollte gemeinsam verteidigt werden. 

Kriegsvorbereitungen

Zwar hatten Frankreich und Großbritannien dem Deutschen Reich gleich nach dem Überfall auf Polen den Krieg erklärt, eine wirkliche Unterstützung für Polen leisteten die beiden Länder aber nicht. Stattdessen bereiteten sie sich auf ihren Gebieten auf Angriffe der Deutschen vor. Frankreich verlegte im Herbst 1939 einige Truppen in die Nähe der deutsch-französischen Grenze. Luftangriffe auf deutsche Ziele wurden in Erwägung gezogen, wegen der Gefahr von Gegenangriffen aber gleich wieder verworfen.
Auch auf der deutschen Seite waren Truppenbewegungen an die deutsch-französische Grenze zu beobachten. Der Westfeldzug stand kurz bevorzustehen.

Der Sitzkrieg

Doch dann passierte erst einmal - nichts. Die folgenden acht Monate werden als „Sitzkrieg“ bezeichnet, da auf beiden Seiten keine Aktivitäten stattfanden. Beide Parteien bereiteten sich auf den Krieg vor. Erst im Frühjahr des Jahres 1940 bezog Hitler das Führerhauptquartier „Felsennest“ in der Nordeifel, um von dort aus den Westfeldzug zu leiten.

Die erste Phase des Westfeldzuges wurde als "Fall Gelb" bezeichnet und umfasste Angriffe auf die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Nordfrankreich.

Der "Fall Gelb"

Am Morgen des 10. Mai 1940 übergab die deutsche Regierung diplomatische Mitteilungen an die Botschafter Belgiens, Hollands und Luxemburgs. Sie enthielten den Vorwurf, den Kriegsgegner des Deutschen Reiches zu unterstützen und den Beschluss, die "Neutralität dieser Länder wiederherzustellen" und für die Zukunft sicherzustellen. In umständlicher Sprache wurde also der Angriff auf Belgien, Niederlande und Luxemburg angekündigt.
Direkt nach der Übergabe der Mitteilungen begann die Heeresgruppe B mit ihren Angriffen auf Belgien, Holland und Luxemburg. Über Belgien und Holland wurden Fallschirmjäger abgeworfen, die dann strategisch wichtige Brücken und Flughäfen besetzten. Das gelang zwar in den meisten Fällen, führte aber zu großen Verlusten, weil die verbündeten Westmächte erbitterten Widerstand leisteten.
Der 18. Armee gelang es trotzdem, schnell vorzustoßen und der niederländischen Armee den Weg abzuschneiden.

Kapitulation Hollands

Am 14. Mai 1940 kämpfte die deutsche Armee um die holländische, zur Festung ausgebauten Stadt Rotterdam. Weil sich der Bürgermeister dieser Stadt weigerte, die Stadt an die Feinde zu übergeben, folgte um 14 Uhr die Drohung, Rotterdam zu bombardieren. Um eine Bedenkzeit zu geben und Gespräche zwischen der holländischen Regierung und der Stadtführung zu ermöglichen, wurde eine Waffenruhe bis 15 Uhr vereinbart. Diese Waffenruhe wurde dann noch einmal bis 18 Uhr verlängert. Die niederländische Heeresführung ordnete in dieser Zeit die Übergabe Rotterdams an. Diese Information drang aber nicht mehr bis zu allen Piloten der Bombenflieger durch, so dass 57 der 100 Bomber trotz Waffenstillstand und zugesicherter Übergabe der Stadt 97 Tonnen Sprengbomben über Rotterdam abwarfen. Dabei kamen 814 Zivilisten ums leben, die Altstadt Rotterdams wurde komplett zerstört. Dieses Ereignis und die Androhung der Deutschen, mit der historischen Stadt Utrecht genauso zu verfahren, veranlasste die niederländischen Streitkräfte dazu, ihre Gesamtkapitulation bekannt zu geben. 

Kapitulation Belgiens

Am 16. Mai 1940 durchbrach das deutsche Heer  die Dyle-Breda-Stellung in Belgien. Einen Tag später wurde Brüssel kampflos besetzt. Im Raum Brügge wurde die belgische Armee eingekesselt und stellte am 28. Mai 1940 alle Kampfhandlungen ein. Der belgische König unterzeichnete die Kapitulation seines Landes.

Nach Frankreich

Zur gleichen Zeit nahm die Wehrmacht den Durchbruch nach Frankreich in Angriff. Um nach Frankreich zu gelangen, hatte das deutsche Heer drei Möglichkeiten:

1. Durch Belgien
Nach den Kapitulationen Belgiens und Hollands wäre ein Durchbruch an der nördlichen belgischen Grenze am einfachsten gewesen. Von belgischen Soldaten wäre kein Widerstand mehr zu erwarten gewesen. Problem: Die Franzosen rechneten fest mit diesem Weg, sicherten ihre Grenze in diesem Bereich am besten und stationierten dort die meisten Soldaten.

2. Durch die Maginot-Linie
Entlang der deutsch-französischen Grenze hatten die Franzosen einen Verteidigungswall errichtet, bei dem die am besten zugänglichen Stellen am meisten gesichert waren. Ein Durchbruch war deshalb schwierig.

3. Durch die Ardennen
Die Ardennen, ein zwischen Frankreich und Belgien gelegenes bewaldetes und unwegsames Hochland, eignete sich denkbar schlecht für einen Durchbruch mit schwerer Artillerie. Die Ardennen mit Panzern zu überqueren, wurde von den Franzosen als unmöglich eingeschätzt.
Dementsprechend schlecht wurde der Ardennen-Abschnitt gesichert. Gerade weil die Franzosen hier am wenigsten mit einem Durchbruch rechneten, überlegten die Deutschen, wie sie genau hier den Durchbruch schaffen könnten...

Der Ardennenstoß

Wenn der Durchbruch über die Ardennen gelingen sollte, dann musste er schnell erfolgen. Die wenigen Divisionen, die die Ardennen sicherten, mussten so schnell überrannt werden, dass sie keine Verstärkung mehr organisieren konnten.
Der Weg zu den Ardennen führte durch Belgien, entlang der Maas, die dann überquert werden musste. Der Führer der Angriffsspitze gab das Motto aus: "In drei Tagen an die Maas, am vierten Tag über die Maas."
Das bedeutete, dass die Soldaten in drei Tagen 170 km kurvenreiche Straßen in oft tief eingeschnittenen Tälern  und zwei Befestigungslinien überwinden mussten.
Der Weg wurde den Angreifern maximal erschwert: Flankenbedrohungen, Brücken- und Straßensprengungen hemmten das Marschtempo und führten zu einem Kolonnenstau von bis zu 250 km Länge. Trotzdem erreichten die Spitzen des Zuges schon am 12. Mai die Maas - 57 Stunden nach dem Beginn des Angriffs.

Gerade einmal zwei belgische Divisionen schützten den Ardennen-Abschnitt. Die Verteidiger versuchten, die Angreifer durch das Sprengen aller möglichen Brücken über die Maas aufzuhalten.
Wie erwartet eilte zwar Verstärkung aus Frankreich herbei, eine koordinierte Zusammenarbeit war aber in der Kürze der Zeit nicht mehr möglich.
Am 13. Mai sollte der Angriff der Deutschen in der Stadt Sedan erfolgen. 

Ein Sieg in der Schlacht von Sedan würde den Durchbruch über die Maas ermöglichen. Die Deutschen leiteten den Angriff mit schweren Bombenangriffen ein.
Danach schafften es die Bodentruppen und Panzerdivisionen schnell, eine Pontonbrücke über die Maas zu errichten, über die schon am nächsten Morgen die ersten Panzer rollten, gefolgt von 60 000 Mann und 22 000 Fahrzeugen. Nach der Überquerung der Maas errichteten die Deutschen auf der anderen Seite einen Brückenkopf, von dem aus sie die weiteren Angriffe vorbereiten konnten.
Außerdem schafften zwei weitere Korps den Durchbruch über die Maas an anderen Stellen.
Die Behauptung, die Ardennen seien für Panzer unpassierbar, war damit mehrfach widerlegt. Zwar bemühten sich die Franzosen schnell um eine Gegenoffensive, um die Deutschen wieder zurückzudrängen. Diese Gegenoffensive scheiterte aber wegen Unentschlossenheit und Fehlorganisation auf der französischen Seite. So fand das Gefecht zur Rückgewinnung des entscheidenden Brückenkopfes erst mit 15 Stunden Verspätung statt. Dieses Gefecht entschieden die Deutschen nach schweren Verlusten auf beiden Seiten für sich - durch den Einsatz ihrer 8,8 cm-Kanonen.
Damit war für die Deutschen der "Fall Gelb", dessen Ziel die Einnahme von Sedan war, abgeschlossen. In der nur wenige Tage laufenden Aktion gelang es den Deutschen, ganze vier französische Panzerdivisionen zu zerstören.


Vorstoß an die Kanalküste

Der verantwortliche deutsche General Kleist erinnerte nun an den bestehenden Sichelschnittplan, der einen schnellen Vorstoß der deutschen Truppen an die französische Kanalküste vorsah. Wieder kämpften Panzerkorps den Weg für die Bodentruppen frei. Unterwegs gab es viele Gefechte mit französischen Panzerdivisionen, die aber die Deutschen nicht aufhielten. Der Vormarsch gelang so gut, dass beim Oberkommando des Heeres Siegeszuversicht entstand. Hitler ging der Vorstoß zu schnell. Aus Angst vor Flankenangriffen verlangte er eine Mäßigung des Vorstoßtempos und gab immer wieder Haltebefehle aus.

Dünkirchen

Schon am 24. Mai standen die Deutschen 15 Kilometer vor Dünkirchen. Diese Hafenstadt war eine wichtige Verbindungslinie zwischen Frankreich und Großbritannien. Eine Einnahme Dünkirchens wäre für die Deutschen deshalb von großer strategischer Bedeutung gewesen. Doch der Vormarsch nach Dünkirchen wurde wieder durch einen Haltebefehl gestoppt. Mittlerweile teilte Generaloberst Gerd von Rundstedt Hitlers Bedenken und stellte sich auch gegen einen zu schnellen Vorstoß. Hitler übertrug von Rundstedt die Entscheidung, wann der Vorstoß fortgesetzt werden sollte. Von Rundstedt hob den Haltebefehl erst nach drei Tagen auf. Diese drei Tage konnten die Franzosen und Briten nutzen, um um Dünkirchen herum einen Verteidigungsring zu errichten. Innerhalb des Verteidigungsring befanden sich ca. 350 000 alliierte Soldaten. Die östliche Flanke wurde durch 500 000 Belgier gesichert.

Am Morgen des 26. Mai 1940 begannen die Deutschen mit ihrem Angriff auf Dünkirchen. Am Morgen wurde der Hafen von Stukas und Artillerie angegriffen, am Mittag folgten Panzerdivisionen. Um 16:45 Uhr kapitulierte Dünkirchen und stellte alle Kampfhandlungen ein. Die meisten der im Verteidigungsring eingeschlossenen Soldaten  wurden auf die britische Insel evakuiert
Am 28. Februar kapitulierte der belgische König wegen der Kampfhandlungen in Belgien, so dass nun auch die an der Ostseite Dünkirchens stationierten belgischen Soldaten ihre Kampfhandlungen einstellten. Damit war die Ostseite des Verteidigungsrings offen. Ein Eindringen der Deutschen konnte zwar verhindert werden, trotzdem verloren die Alliierten den Kampf um die Hafenstadt.

„Der Fall Rot“

Nach dem „Fall Gelb“, der im Großen und Ganzen planmäßig verlaufen war, sollte nun der „Fall Rot“ in Angriff genommen werden: Dazu gehörte die Überwindung der Maginot-Linie zwischen Sedan und der Schweiz und der Vorstoß ins französische Landesinnere. Dafür war die Heeresgruppe B zuständig. In drei aufeinanderfolgenden Schlachten kämpfte sie um den Durchbruch der französischen Verteidigungslinie. Trotz erbitterten Widerstandes der Franzosen und hohen Verlusten überwanden die Deutschen die Maginot-Linie.. Danach gelang der Vorstoß ins Innere Frankreichs problemlos. Am 14. Juni erreichten die ersten deutschen Soldaten Paris.

Waffenstillstand

Am 22. Juni wurde in Compiègne der Waffenstillstand geschlossen. Ihn diesem symbolträchtigen Ort wurde auch schon der Waffenstillstand nach dem Ersten Weltkrieg ausgehandelt.


Diesmal diktierten aber die Deutschen die Bedingungen:

  • 60 % Frankreichs werden besetzt. Elsass-Lothringen wird unter deutsche Verwaltung gestellt.
  • Die Kosten für die Besatzung hat Frankreich zu tragen.
  • Bis zum Friedensvertrag bleiben französische Kriegsgefangene in Gefangenschaft.
  • Die französischen Truppen werden demobilisiert und abgerüstet. Erlaubte Truppenstärke in Frankreich: 100 000 Mann.
  • Die französische Flotte wird unter deutscher Aufsicht entwaffnet.

 

Außerdem erhielt das Deutsche Reich Zugriff auf die umfangreichen Rohstoffreserven Frankreichs.

 

Bilanz

Der Westfeldzug verlief für die deutsche Wehrmacht ausgesprochen erfolgreich. Die deutsche Propaganda feierte die Siege in Frankreich überschwänglich. Sie schrieben ihre Siege ihrer neuen, revolutionären Blitzkrieg-Taktik zu. Insgesamt war der Westfeldzug ein schneller Bewegungskrieg. Die Franzosen fokussierten sich aber auf den Halt ihrer Maginot-Linie und waren eher auf einen Stellungskrieg eingestellt. Dieses Taktik erwies sich als unglücklich. Immer wieder wurden sie von den schnellen, flexiblen Aktionen der Deutschen überrumpelt.

Im direkten Vergleich hatten die Franzosen zu Beginn des Krieges mehr Panzer und bessere Waffen. Doch durch gute Führung, effektive Nachschubplanung und eine enge Zusammenarbeit zwischen den Bodentruppen mit der Luftwaffe konnten die Deutschen diesen Nachteil ausgleichen und die Kräfteverhältnisse drehen.

60 000 französische Soldaten kamen in den Kämpfen ums Leben. 1,6 Millionen gerieten in Kriegsgefangenschaft und wurden bis zum Kriegsende als Zwangsarbeiter eingesetzt. Dabei starben weitere 40 000 Soldaten.


Quelle: Wikipedia-Eintrag "Westfeldzug"
Karte Maginot-Linie