Demokratisierung

Für den Neuaufbau Deutschlands hielten es die Alliierten für unerlässlich, in Deutschland ein demokratisches System zu errichten – auch wenn die einzelnen Siegermächte „Demokratie“ unterschiedlich interpretierten. 

Die Deutschen standen der Demokratie skeptisch gegenüber und dachten dabei an die ewigen Streitereien, Beleidigungen und Schlägereien im Parlament, wie sie es in der Weimarer Republik erlebt hatten. Es galt nun, ein stabiles, funktionierendes demokratisches System aufzubauen und Vertrauen zu schaffen. Dafür musste das ganze öffentliche Leben demokratisiert werden: das Bildungswesen, die Presse, der Rundfunk und das ganze öffentliche Leben

Die Deutschen sollten demokratische Verhaltensweisen erlernen und zu Demokraten erzogen werden. Doch allein schon der Begriff „Umerziehung“ stieß auf Ablehnung. Die militärische Niederlage war schwer genug, nun wollte man nicht von den Siegern belehrt und erzogen werden. Stattdessen wollten sich die Deutschen lieber in den materiellen Aufbau ihres Landes stürzen.

 


Demokratisierung der Kinder

- ein neues Schulsystem

Nach der Kapitulation Deutschlands wurden erst einmal alle Schulen geschlossen. Bevor sie wieder aufmachen konnten, sollten die Lehrer, die Lehrpläne und die Lehrmittel entnazifiziert werden. Das Problem war, dass die große Mehrheit der Lehrer in der NSDAP waren. Ein umfassendes Entnazifizierungsprogramm hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen und den Schulbetrieb für lange Zeit verhindert. Währenddessen saßen die Kinder auf der Straße, oft vor Trümmerbergen. Noch wichtiger als eine vollständige Entnazifizierung war es, die Kinder schnell von der Straße zu bekommen. Deshalb öffneten die Schulen schon im Herbst 1945 wieder. Wegen des Lehrermangels wurden Lehrer aus dem Ruhestand zurückgeholt. Außerdem halfen Studenten als „Schulhelfer“ mit. Der Unterricht war schlecht vorbereitet, die Schulhäuser konnten nicht geheizt werden.

Erst zwei Jahre später erließ der Alliierte Kontrollrat Richtlinien für eine Demokratisierung des deutschen Erziehungssystems. Die Schulbildung sollte in zwei Stufen erfolgen, der Grundschule und der höheren Schule. Es sollten keine Unterschiede zwischen Arbeiter- und Bauernkindern auf der einen Seite und Bürgerkindern auf der anderen Seite gemacht werden. Alle sollten die gleichen Bildungs-Chancen haben. Daneben gab es in den vier Besatzungszonen viele unterschiedliche Regelungen.

 


Sowjetische Besatzungszone:

Frühjahr 1946 "Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schule“:

o   achtklassige Grundschule für alle

o   danach Oberschule oder Berufsschule

o   40 000 neue Lehrer eingestellt (Antifaschisten, Arbeiterklasse)

o   Lehrerausbildung: Schnellkurse (3 Monate, später 8 Monate, dann 12 Monate)

o   Ziel: Abbau bürgerlicher Privilegien, besondere Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder

 

Französische Besatzungszone:

o   radikalste und innovativste Bildungspolitik

o   französisches Schulsystem sollte übernommen werden

o   soziale Auslese und Elitebildung

o   Gymnasium mit dreijähriger Übergangsfrist (späterer Eintritt möglich)

o   wichtigste Fremdsprache: Französisch

o   Humanistisches Gymnasium bleibt bestehen, soll aber untergeordnete Rolle spielen

o   alle Formen besonderer Mädchenbildung abgeschafft

 

Britische und amerikanische Besatzungszone:

o   Grundsatz: Schulreformen müssen von den Deutschen selbst entwickelt und durchgeführt werden 

o   Problem: fehlendes Engagement der Deutschen à Amerikaner nahmen ab Herbst 1946 doch Einfluss 

o   Modell der Einheitsschule: keine Unterschiede nach Geschlecht, sozialer Herkunft und Berufsziel

o   Ziel: Gemeinschaftsgefühl & demokratisches Verhalten

o   auch die höhere Schule sollte vereinheitlicht werden (keine verschiedenen Schularten)

o   kein Schulgeld, kostenlose Lehrmittel, Schulpflicht bis zum 15. Lebensjahr

o   Lehrerausbildung an Universitäten

o   eher Vorschläge als Befehle

 

Demokratisierung der Erwachsenen

- Kultur und Unterhaltung

Mit der Demokratisierung des Schulwesens erreichte man Kinder und Jugendliche, was für die Gestaltung der Zukunft wichtig war. Daneben war es aber wichtig, auf die derzeitigen Erwachsenen Einfluss zu nehmen und deren anti-demokratische Einstellungen zu ändern. Das sollte durch eine neu gestaltete Medien-Landschaft und neue kulturelle Angebote erreicht werden. In den Kinos wurden Wochenschauen zur Information gezeigt, aber auch Spiel- und Dokumentarfilme aus alliierter Produktion. Die gezeigten Filme dienten dem pädagogischen Zweck: Sie sollten die Deutschen zu Demokraten umerziehen, die Bevölkerung pazifizieren und hin und wieder auch ein wenig unterhalten.

 

Der Kulturbund

o   „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ im Juli 1945 gegründet

o   geleitet von Johannes R. Becher

o   in Berlin (sowjet. besetzte Zone)

o   Ortsgruppen in ganz Deutschland

o   Versuch eines geistigen Neubeginns durch deutsche Intellektuelle und Künstler (aber Überhang an marxistischen Mitgliedern)

o   bewacht durch die SMAD

o   Zeitschrift „Aufbau“

o   Ziel: antifaschistische Reformation Deutschlands auf überparteilichem Weg

o   Beteiligte: Thomas und Heinrich Mann, George Lukàcs, Hans Fallada …

 

Unterhaltung in der amerikanischen Zone

o   Import von amerikanischen Werken: Romane, Lyrik, Theaterstücke

o   „Amerikahäuser“: öffentliche Bibliotheken und Lesesäle

o   viele Übersetzungen amerikanischer Stoffe ins Deutsche

o   Auswahl der Texte nach politischer Eignung

o   „pädagogisch wertvolle Texte“ wurden bei Papierzuteilung begünstigt

 

Massenmedien: Presse und Rundfunk

Drei Phasen:

1. Phase: Totales Verbot

o   erlassen am 24. November 1944 von General Eisenhower

o   verboten: "Drucken, Erzeugen, Veröffentlichen, Vertreiben, Verkaufen und gewerbliche Verleihen von Zeitungen, Magazinen, Zeitschriften, Büchern, Broschüren, Plakaten, Musikalien und sonstigen gedruckten oder (mechanisch) vervielfältigten Veröffentlichungen, von Schallplatten, sonstigen Tonaufnahmen und Lichtspielfilmen jeder Art; ferner die Tätigkeit oder den Betrieb jedes Nachrichtendienstes und Bilddienstes oder von Agenturen, von Rundfunkstationen und Rundfunkeinrichtungen, von Drahtfunksendern und Niederfrequenzübertragungsanlagen; auch die Tätigkeit in oder den Betrieb von Theatern, Lichtspieltheatern, Opernhäusern, Filmateliers, Filmlaboratorien, Filmverleihanstalten, Jahrmärkten, Zirkusunternehmungen und Karnevalsveranstaltungen jeder Art."

o   Ziel: mediale „Quarantäne“

o   einzige Informationsquellen: alliierte Mitteilungsblätter über die notwendigsten Informationen für den Besatzungsalltag

 

2. Phase: Massenmedien unter alliierter Kontrolle

o   Übernahme der deutschen Rundfunkstationen durch die Alliierten

 

3. Phase: Neuaufbau einer deutschen Medienlandschaft (pluralistisch und demokratisch)

o   ausgewählte und überprüfte Journalisten und Verleger

o   strenge Zensur

o   Lizenzvergabe für neue Zeitungen

o   statt gleichgeschalteter Presse nun objektive Berichterstattung im Nachrichtenteil und Meinungsvielfalt auf den Kommentarseiten

o   Prinzip: Trennung von Nachricht und Meinung (Ziel: Herstellung demokratischer Zustände in der öffentlichen Kommunikation)

o   bis 1949 in der britischen Zone 61 neue deutsche Zeitungen, in der amerikanischen Zone 61 neue deutsche Zeitungen, in der französischen Zone 33 neue deutsche Zeitungen

o   wichtigste Zeitungen in der amerikanischen Zone („Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“ …)

o   Zensur sehr großzügig: keine militärischen und nationalistischen Töne, keine Kritik an den Besatzungsmächten (sonst alles erlaubt)

o   Sowjetische Besatzungszone: nur Parteien und Massenorganisationen erhalten Lizenz zur Herausgabe von Tageszeitungen

o   KPD (ab 1946 SED) bevorzugt

o   SPD, CDU und LDP durften jeweils eine zentrale Zeitung in den 5 Teilen der sowjetischen Zone jeweils eine weitere Zeitung publizieren

o   KPD bzw. SED bei Papierzuteilung bevorzugt

 

Quelle: http://www.deutschegeschichten.de/popup/objekt.asp?OzIID=5635&ObjKatID=106&ThemaKatID=1004