Die Ideologie der Nationalsozialisten
Was bedeutet eigentlich „Ideologie“? Ideologie bedeutet „Weltanschauung“. Eine Ideologie ist eine bestimmte Art, die Welt zu betrachten. Dazu gehören Ansichten über die Vergangenheit, aber auch Schlussfolgerungen über das zukünftige Leben der Menschen. Resultierend aus Behauptungen über die Vergangenheit werden innerhalb einer Ideologie Werte und Ideale festgelegt, nach denen alle Menschen leben müssen.
In einer Demokratie haben die Menschen keine gemeinsame, feste Ideologie. Stattdessen lebt jeder (innerhalb des gesetzlichen Rahmens) nach seinen eigenen Grundsätzen.
In einer Diktatur ist das anders. Hier gibt der Diktator eine Ideologie vor, die von allen Untertanen mitgetragen werden muss. Die gemeinsame, verbindliche Ideologie wird zu seinem Fundament bzw. zu seiner Machtbasis.
Die Ideologie setzt sich aus Glaubenssätzen zusammen. Diese beruhen nicht auf beweisbaren Fakten, sondern auf Behauptungen und Theorien, die oftmals einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten, sondern „einfach geglaubt“ werde müssen.
Es gehört zum Wesen der Diktatur, dass niemand die Ideologie und die ihr zugehörigen Glaubenssätze kritisch hinterfragen und in Zweifel ziehen darf. Was waren die Glaubenssätze der NS-Ideologie?
Das Führerprinzip
1. „Der Führer hat immer recht! Er allein kennt den richtigen Weg. Ihr müsst ihm euch unterordnen!“ (Das Führerprinzip)
Hitlers politischer Aufstieg begann im September 1919 mit seinem Eintritt in die rechtsradikale Partei DAP. Hitler war von Anfang an stark demokratiefeindlich eingestellt und befürwortete das System der Alleinherrschaft. Zuerst baute er die DAP selbst nach diesem System um, indem er die beiden Gründungsmitglieder aus der Partei warf und sich allein an deren Spitze festsetzte.
Danach verfolgte er den Plan, das ganze Deutsche Reich als Alleinherrscher anzuführen. Die wirtschaftliche Lage des Landes war zu diesem Zeitpunkt katastrophal. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg hatte Deutschland massive Schulden. Die Folgen waren Arbeitslosigkeit und Armut. Der demokratischen Regierung gelang es nicht, die Schulden abzubauen und die Wirtschaft in Gang zu bringen. Das spielte Hitler in die Karten. Er behauptete, die Demokratie müsse beseitigt werden und nur ein Alleinherrscher könne Deutschland zu alter Größe zurückführen.
Im Angesicht der großen Not fand er mit der Zeit immer mehr Anhänger. Auch Menschen, die die Demokratie eigentlich befürwortet hatten, resignierten im Anbetracht ihrer ausweglosen Lage und wandten sich Hitlers Behauptungen zu.
Nach 14 Jahren hatte Hitler es geschafft, Oberhaupt der deutschen Regierung zu werden. In dieser Position begann er, das Land zur Diktatur umzubauen.
Im NS-Staat war alles auf ihn ausgerichtet. Er war die wichtigste Person, er allein kannte den richtgien Weg für Deutschland. Er hatte immer recht. Was er sagte und tat, durfte niemand in Zweifel ziehen. Von seinem Volk verlangte er Treue und bedingungslose Unterordnung.
Die Volksgemeinschaft
2. „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“
So lange das Kaiserreich existierte, gab es für alle Menschen feste Regeln, nach denen sie zu leben hatten. Diese Regeln betrafen auch das Privatleben innerhalb der Familie. So war es zum Beispiel nicht möglich, als Paar zusammenzuleben, ohne verheiratet zu sein. Hätte man das doch getan, wäre man von seinen Nachbarn angefeindet und ausgeschlossen worden. Auch für das Zusammenleben innerhalb der Ehe gab es strenge Regeln. Die Frau sollte zuhause bleiben und sich um Haus, Hof und Kinder kümmern, während der Mann durch seine berufliche Tätigkeit das Geld für die Familie verdient.
Viele Menschen litten unter den strengen gesellschaftlichen Regeln und fühlten sich eingeengt.
Mit der Absetzung des Kaisers und dem Ausrufen der Republik lösten sich alle gesellschaftlichen Zwänge und Regeln auf. In den modernen, technisierten Großstädten war alles möglich und alles erlaubt. Erstmals wurde das Individuum geachtet: Jeder soll selbst entscheiden, wie und nach welchen Regeln er leben möchte, jeder hat das Recht auf ein erfülltes und glückliches Leben.
Doch dieser Individualismus war Hitler ein Dorn im Auge. Wichtiger als der Einzelne war für ihn die „Volksgemeinschaft“. Jeder Einzelne hätte sich dem Wohl des Volkes zu unterwerfen. Innerhalb der Volksgemeinschaft sollten alle möglichst gleich sein. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau, zwischen Arm und Reich, zwischen Arbeiter und Unternehmer sollten weitestmöglich eingeebnet werden. Viele fanden die Idee einer Gesellschaft ohne Klassenunterschiede verlockend. Gemäß der Parole „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ sollten alle Einzelinteressen dem Gemeinwohl untergeordnet werden. Doch die Idee der Volksgemeinschaft hatte auch mehrere Schattenseiten:
- Innerhalb der Volksgemeinschaft war nur noch eine Denkweise erlaubt. Von klein auf wurden die Kinder in den Massenorganisationen (HJ, BDM) auf die NS-Ideologie eingeschworen. Alle Medien wurden streng kontrolliert. Die Parteienvielfalt und der Reichstag waren längst abgeschafft.
- Für unterschiedliche Meinungen war in der Volksgemeinschaft kein Platz.
- Nur „Arier“ durften Teil der Volksgemeinschaft sein. Wer kein „Arier“ war, war Außenseiter und musste bekämpft werden.
- Doch nicht nur Nicht-Arier wurden von der Volksgemeinschaft ausgeschlossen. Für das Volk war nur wertvoll, wer arbeiten konnte. Dauerhaft Kranke oder Behinderte wurden als "unwertes Leben" eingestuft, in speziellen Heimen untergebracht, wo sie letztendlich getötet wurden.
- Für das innerfamiliäre Leben gab es nun wieder strenge Regeln, die denen des Kaiserreiches entsprachen und einen Rückfall bedeuteten. Die Frau wurde wieder auf ihre Rolle aus Hausfrau und Mitter reduziert. Der Mann hatte die Aufgabe des Ernährers und Beschützers. Die Emanzipation der Frau, also ihr Recht auf ein freies und selbstbestimmtes Leben, wurde zurückgenommen.
3. Die Rassentheorie
3. „Es gibt verschiedene menschliche Rassen. Die arische Rasse ist die wertvollste.“
Um die Überlegenheit der arischen Rasse zu begründen, griffen die Rassentheoretiker, die es in England, Frankreich und Deutschland gab, fälschlicherweise auf die Evolutionstheorie Charles Darwins‘ zurück. Dieser wies durch Beobachtungen im Tierreich nach, dass sich das überlegene und das am besten an die Umgebung angepasste Tier im Tierreich durchsetzt.
Die Rassentheoretiker behaupteten nun, dass sich auch unter den Menschen der Stärkere, bzw. die stärkste menschliche Rasse durchsetzen darf und durchsetzen muss.
Und welche ist die stärkste menschliche „Rasse“? Hierfür unterschied der Franzose Graf Arthur Gobineau eine „schwarze“, eine „gelbe“ und eine „weiße“ menschliche „Rasse“ und behauptete, dass unter diesen drei „Rassen“ die weiße schöpferische den anderen überlegen ist.
Innerhalb der „weißen Rasse“ wäre, folgt man den Rassenunsinn weiter, nun die arisch-germanische Rasse am überlegensten. Denn die „Arier“ wären am wenigsten blutsvermischt. Sie haben ihr Blut „reingehalten“ und sich am wenigsten mit anderen Rassen vermischt, deshalb sind sie nun am edelsten und wertvollsten und verfügen über die besten geistigen und körperlichen Fähigkeiten.
Wissenschaftlich waren diese Behauptungen schon damals nicht haltbar. Es ist erwiesen, dass die Erdbevölkerung schon immer in Bewegung war.
Völker haben sich herausgebildet, miteinander vermischt und wieder geteilt. Waren die Lebensumstände an einem Ort nicht mehr angenehm, zog ein Volk in eine anderes Gebiet weiter. Immerzu kam es zu Ortswechseln und Kontakten zu anderen Völkern, so dass es keine einzige reine „menschliche Rasse“ gab und gibt. Jeder Mensch hat individuelle Persönlichkeitsmerkmale und ein individuelles Aussehen.
Doch die Nationalsozialisten leiteten aus der Behauptung, zur überlegenen „arischen Rasse“ zu gehören, nun das Recht ab, über den Angehörigen anderer Rassen zu stehen und diese zu diskriminieren und zu beherrschen. Während die „arische Rasse“ vor Vorzügen und Überlegenheit nur so strotzen würde, wurden Juden, Osteuropäer, Sinti und Roma als besonders minderwertige Rassen gebrandmarkt.
Antisemitismus
4. „Die arische Rasse wird von der jüdischen Rasse bedroht. Deshalb müssen wir die jüdische Rasse vernichten!“
Eine besonders großen Hass hegten die Nationalsozialisten gegen die Juden, also die Angehörigen der jüdischen Religion. Durch häufige Vertreibungen hatten sich jüdische Gruppen aus ihrem Stammgebiet in westliche Richtung ausgebreitet und sich in vielen verschiedenen europäischen Ländern angesiedelt. Da die Vertreibungen schon ca. 600 v. Chr. begonnen hatten, konnte man die Juden um im 20. Jahrhundert gar nicht mehr einem Herkunftsort zuordnen. Deutsche Juden fühlten sich als „deutsch“ und erfuhren jetzt, dass sie eine eigene Rasse bilden würden und ihr Blut die Reinheit arischen Blutes bedrohen würde.
So absurd das klang, so erfolgreich verbreitete sich die Hetze gegen die Juden – denn alle Informationskanäle waren gleichgeschaltet und unterlagen strenger Zensur. Dadurch wurden die Deutschen mit Judenhetze konfrontiert, wenn sie das Radio einschalteten, wenn sie ins Kino gingen, wenn sie die Zeitung aufschlugen, wenn sie die Straße entlangliefen – unter judenfeindlichen Plakaten entlang.
Der Judenhass sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl der deutschen Mehrheitsgesellschaft stärken (wir gegen die anderen). Außerdem konnten alle zurückliegenden und gegenwärtigen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme auf „die Juden“ geschoben werden:
- Die Juden waren schuld am Ausbruch des Krieges, aber auch an der Kriegsniederlage. Denn jüdische Soldaten hätten sich mit dem Feind verbündet und gegen die deutschen Kameraden gearbeitet. Außerdem hätten sie die Kapitulation der Deutschen verursacht (Dolchstoßlegende).
- Außerdem hatten jüdische Politiker den Versailler Vertrag ausgehandelt, der das Land in den wirtschaftlichen Ruin getrieben hat.
- Die Juden waren schuld an der Weimarer Republik und an der Demokratie.
- Die Juden hätten die Sünde und den Sittenverfall über das deutsche Volk gebracht. Diesen könne man besonders gut in den Großstädten (Nachtleben, Prostitution, Drogen) beobachten.
- Das „Geldjudentum“ hat die Weltwirtschaftskrise ausgelöst.
- Die Juden streben die Weltherrschaft an und wollen die Deutschen zu ihren Untertanen machen.
Natürlich stimmte das alles nicht. Aber dass das alles nicht stimmte, durfte niemand mehr sagen. Und so kroch der Hass auf Juden langsam in jede Ecke des Deutschen Reiches…
"Blut und Boden"
Lebensraum im Osten
5. Wir Arier sind die überlegene Rasse! Uns steht mehr Lebensraum zu, damit wir uns weiter ausbreiten können!“
Gemäß der „Blut- und Boden“-Theorie gibt es eine enge Verbindung des „arischen“ Blutes und dem Land bzw. dem Boden, auf dem sie lebt. Deswegen gilt es, diese Verbindung der Menschen mit ihrem Lebensraum zu erhalten.
Der Boden wäre die Grundlage eines gesunden Staates. Das Stadtleben, besonders das Großstadtleben, wurde wegen seiner Sündhaftigkeit verachtet und abgelehnt. Das bäuerliche, ländliche Leben wurde als ideale Lebensform des „Ariers“ angesehen.
Zusammengehalten wurde das ideologische Konstrukt von gemeinsamen Ritualen, dem Hakenkreuz-Zeichen und der Verwendung des Hitler-Grußes. Jegliche Zweifel an der nationalsozialistischen Ideologie wurden durch die ständige Einschüchterung, durch häufige Gewaltanwendung im Keim erstickt.
Alle Glaubenssätze schworen die Bevölkerung auf das NS-Regime und ihre politischen Maßnahmen ein. Manchen Glaubenssätze stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Nationalstolz, andere schürten den Hass auf angebliche Feinde.