Die Schulfächer


1. Deutsch

Der Deutschunterricht wurde genutzt, um die Kinder auf die Ideologie des Nationalsozialismus einzuschwören – und das von Anfang an. Nachdem viele ehemals bedeutsame deutsche Schriftsteller verboten wurden, waren germanische Heldensagen, dramatische Kriegsgeschichten und judenfeindliche Texte nun bevorzugte Lesestoffe im Deutschunterricht.

 

Schon die Fibel, mit dem die Erstklässler das Lesen lernten, wurde nach der nationalsozialistischen Ideologie umgestaltet. Die Texte in den neuen Fibeln handelten vom Marschieren, vom Lagerleben und vom Kind, das heranwächst, um Soldat zu werden. 
Neben den offiziellen Lesebüchern gab es viele Zusatzhefte, die in ihrer politischen Einflussnahme noch viel drastischer waren.
 


„Der Giftpilz" war eines der schlimmsten Hetzbücher gegen das Judentum, entsprach in Wort und Bild allen üblichen und üblen Klichees der Antisemiten und sollte vor allem 
von den Zehn- bis Zwölfjährigen gelesen werden.

Ausschnitt eines typischen Aufsatzes im Deutschunterricht

 Doppelseite aus "Erstes Lesebuch für die Volksschulen Nordbayerns“

Doppelseite aus der „Brückl-Fibel für den 1. Schuljahrgang“ (1942)***


Natürlich zog sich die Indoktrination durch die gesamte schulische Laufbahn. Für höhere Jahrgänge war der Gesinnungsaufsatz typisch. Das kleine Heft  „Deutschlands Erwachen. 120 Aufsatzthemen und -entwürfe für die deutsche Schule und die Hitlerjugend“ half den Deutschlehrern, Aufsatzthemen zu finden. Hier einige Beispiele:

 

  • „Eigennutz und Korruption – die Todfeinde deutschen Seins und Wesens“,
  • „Adolf Hitler – der Retter des Vaterlandes“,
  • „Die Erneuerung der deutschen Volksseele“,
  • „Der Nationalsozialismus als Neubeseelung unseres Volkes“,
  • „Gott verlässt keinen guten Deutschen“,
  • „Was befähigt Adolf Hitler zum deutschen Führer und Volkskanzler?“**

 

Für die Oberstufen-Lehrer gab es die folgende amtliche Richtlinie: „Da die gesamte Erziehung heute vom Willen zur inneren Einheit und zur äußeren Selbstbehauptung des Volkes getragen sein muß, geht es im Deutschunterricht darum, unsere Jugend so zu festigen, dass sie ihres Deutschtums bewußt, daß sie selbstsicher, wehrhaft und tatbereit wird.“**

2. Geschichte

 

Der Geschichtsunterricht wurde als besonders wichtig erachtet und begann schon in der ersten Klasse. Für Geschichtslehrer gab es Hefte und Bücher, in denen Unterrichtsthemen und ganze Musterstunden vorgeschlagen wurden. Hier ein Vorschlag für eine Geschichtsstunde für kleine Kinder:

 

„Euer Vater, Onkel usw. soll euch vom Krieg erzählen. 

Bringt mit, was ihr vom Krieg zu Hause habt. 

In der folgenden Stunde betrachten wir die mitgebrachten Dinge (Granatsplitter, Kugeln, zur Schmucksachen verarbeitete Geschossteile, usw. Vorsicht bei Granatzündern!) und sprechen über ihre Verwendung im Krieg. Wir bieten anschließend noch einige Einzelbilder dar, etwa folgende: Ein Tag im Schützengraben, im Trommelfeuer. Ein Fliegerangriff. Die schwarzen Franzosen. Eine Granate schlägt ein. Ein Kamerad wird beerdigt (Ich hatt‘ einen Kameraden!) Wie einer sterbend noch einen Brief schreibt ... Ruhetage hinter der Front (Juden).“ *

Der Verfasser dieses Unterrichtsvorschlages rät den Geschichtslehrern anschließend, die jüdischen Soldaten als feige und faul darzustellen: Sie hätten sich hinter der Etappe vergnügt, während die „deutschen“ Soldaten vorn sterbend ihre Abschiedsbriefe geschrieben hätten. Das ist natürlich Unsinn. Aber kein Erstklässler hinterfragt solche Behauptungen, wenn sie vom Lehrer als Wahrheit vorgetragen werden.

Allgemein ist zum Geschichtsunterricht der Nazi-Zeit zu sagen, dass alles in die Perspektive des Deutschen Reiches verlegt wurde. Einer der führenden Pädagogen machte deutlich, dass „deutsche Geschichte nur mit deutschen Augen, mit den Augen des Blutes“ gesehen werden dürfe: „Während bisher für den Geschichtsunterricht vorwiegend der Ausgang von Geschichtsquellen gefordert wurde, werden wir, um der formenden Kraft des Stoffes keine Einbuße zu tun, beinahe gänzlich auf Quellenstudium verzichten. Wir werden vielmehr Geschichte zu möglichst dramatischen Geschichtsbildern formen müssen ... Dabei werden Prosa und Poesie, Sprechchor und Lied gute Dienste leisten.“**

Im Zentrum dieses Geschichtsunterrichts sollten die letzten beiden Jahrzehnte stehen: „Das ungeheure Erlebnis des Weltkriegs mit dem heldenhaften Ringen des deutschen Volkes gegen eine Welt von Feinden, die Zersetzung unserer Widerstandskraft durch das Versailler Diktat und der ihr folgende Zusammenbruch der liberalistisch-marxistischen Weltanschauung sind ebenso eingehend zu behandeln wie das beginnende Erwachen der Nation vom Ruhrkampf an bis zum Durchbruch des nationalsozialistischen Freiheitsgedankens und bis zur Wiederherstellung der deutschen Volksgemeinschaft am Tage von Potsdam.“**

Im Mittelpunkt des Geschichtsunterrichts sollten einzelne Helden stehen - also Menschen, die in Schlachten und Kriegen für die „deutsche Sache“ gekämpft haben. Eine Verzerrung der tatsächlichen historischen Fakten war dabei kein Problem.

3. Biologie 

Im Biologieunterricht wurde das Thema „Rassenkunde“ bedeutsam. Laut einer Anordnung des Reichsunterrichtsministeriums aus dem Jahr 1935 gilt es, ...

 

„1. den Schülern Einblick zu gewähren in die Zusammenhänge, Ursachen und Wirkungen aller mit Erb- und Rassenlehre in Zusammenhang stehenden Grundtatsachen.

 

2. die Schüler von der Bedeutung der Erb- und Rassenlehre für die Gesamtheit der Nation und die Ziele der Regierung zu überzeugen.

 

3. in den Schülern den Sinn für Verantwortlichkeit zu wecken gegenüber der Gesamtheit der Nation (…). Die Schüler mit Stolz darüber zu erfüllen, daß das deutsche Volk als wichtigster Repräsentant der nordischen Rasse zu betrachten ist, - und sie zu aktiver Mitarbeit bei der restlosen Aufnordung des deutschen Volkes zu bestimmen.“*

 

All dies müsste schon in den ersten Schuljahren vermittelt werden.

Mathe

Gibt es nationalsozialistische Mathematik? Ja, die gibt es. Zum Beispiel kann man den „Wert“ eines Menschen bzw. den unterschiedlichen „Wert“ verschiedener Menschen ausrechnen. Die folgenden Aufgaben stammen aus Mathematikbüchern und aus Unterrichtshilfen für Lehrer:

 

  • „Wie viele Kinder muss eine Familie haben, damit der zahlenmäßige Bestand des Volkes gesichert ist?
  • Wieviel Personen gehören in die „Ahnentafel“ eines Menschen, falls sie von der nullten bis zur n’ten Reihe fortgesetzt wird?
  • Der Bau einer Irrenanstalt erfordert 6 Millionen RM. Wie viele Siedlungen zu je 15 000 RM hätte man dafür bauen können?
  • Ein Geisteskranker kostet täglich etwa 4 RM, ein Krüppel 5,50 RM, ein Verbrecher 3,50 RM. Nach vorsichtigen Schätzungen sind in Deutschland 300 000 Personen  in Anstaltspflege. Wie viele Ehestandsdarlehen zu je 1000 RM könnten von diesem Geld jährlich ausgegeben werden?“ 
  • Fremdrassig sind in Deutschland die Juden. 1933 hatte das Deutsche Reich 66 060 000 Einwohner. Darunter waren 499 482 Glaubensjuden; wieviel %?
  • Deutschland musste, gemäß dem Versailler Vertrag, alle seine Kolonien abgeben. (+ Liste aller verlorenen Kolonien nach Größe und Bevölkerung)

     a) Wie groß war Deutschlands Gesamt-Verlust an Raum und Bevölkerung?

     b) Wie groß war der Gewinn jedes einzelnen Siegers an Raum und Bevölkerung?

     c) Um wieviele Male größer ist das verlorene Gebiet als das deutsche?

     d) Vergleiche die Größe der deutschen Bevölkerung mit der Größe der Bevölkerung in den verlorenen Gebieten!


Doch auch der Krieg selbst bot die verschiedensten Möglichkeiten für Rechenaufgaben:

 

  • „Ein Bombenflugzeug kann mit sich führen: eine Explosiv-Bombe à 350 Kilogramm, drei Bomben à 100 Kilogramm, vier Gasbomben à 150 Kilogramm und 200 Brandbomben à 1 Kilogramm.

      a) Wie groß ist das Fassungsvermögen?

      b) Welchen Prozentsatz der Ladung stellt jede einzelne Bombenart dar?

      c) Wieviele Brandbomben à 0,5 Kilogramm könnten hinzugefügt werden, wenn das Fassungsvermögen  um 50% gesteigert  würde?“

  •   Ein Flugzeug fliegt mit 240 Kilometer Stundendurchschnitt nach einem 210 Kilometer entfernten Ort, um Bomben abzuwerfen. Wann wird es zurückkehren, wenn das Abwerfen der Bomben 7,5 Minuten in Anspruch nimmt?
  • Wieviele Personen können in einem Schutzraum Unterkunft finden, der 5 m lang, 4 m breit und 2,25 m hoch ist, wenn man mit dreistündigem Aufenthalt im Keller rechnet und wenn für die Person in der Stunde 1 cbm Luft benötigt wird? (* und **)

 


Physik 

Auch der Physikunterricht sollte seinen Beitrag zur Wehrfähigkeit der Jugendlichen leisten. Laut dem „Handbuch der Wehrphysik“ hat der Physikunterricht die Aufgabe, bei den Schülern „Wehrwillen und Wehrkräfte zu wecken“ und „darüber hinaus die technischen Wege und Mittel zu zeigen, den Wehrentschluß durchzuführen.“

Das erste Kapitel des „Handbuchs der Wehrphysik“ heißt „Sehen, Messen, Richten“. Alle Aufgaben zur Entfernungsberechnung beziehen sich auf Geschütze und militärische Ziele.

 

Beispiel:

„Ein Küstengeschütz beschießt ein Schiff, das in 12 000 m Entfernung mit einer Geschwindigkeit von 30 Knoten quer zur Schußrichtung fährt. Wie groß ist das Vorhaltemaß? Die mittlere Geschoßgeschwindigkeit sei mit 600 m/sec angenommen.“*

Sport

Für die Jungen war der Sportunterricht darauf ausgerichtet, Wehrhaftigkeit zu erreichen. Sie sollten die Schule kräftig und mit guter Kondition verlassen, um später lange Märsche mit Gepäck und schwere Kämpfe auf dem Schlachtfeld überstehen zu können. Bei den Mädchen ging es um Anmut, Synchronität und Rhythmus, so dass Gymnastik die wichtigste Disziplin war.

Quellen:
* Erika Mann: Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. ro ro ro Verlag (9. Aufl.), Hamburg (2021), S. 52 ff.
** Zentner, Christian (Hg.): Große Geschichte des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs. Band 2: 1934 - 1939. Naturalis Verlag, München (1989), S. 137 f.
*** https://www.ernst-huber.de/schulmuseum/antisemit/schulmuseum/