Napoleon gegen Russland
Vorgeschichte: Die Kontinentalsperre
England und Frankreich waren schon seit dem Mittelalter tief verfeindet. Immer wieder führten sie Kriege gegeneinander. Die Eroberung von Kolonien in Übersee verschärfte die Situation. Frankreich und England stritten um jeden Zentimeter in der Fremde und trugen ihre Konflikte nicht selten in den Kolonien aus.
Auf dem europäischen Festland waren Güter aus den britischen Kolonien sehr beliebt, zum Beispiel Baumwolle, Tee und Kaffee Für England war der Handel mit Kolonialgütern in Europa sehr ertragreich.
Nach den haushohen Siegen Napoleons gegen Österreich und Preußen holt Napoleon zum großen Schlag gegen die verhassten Engländer aus: Er verhängt die Kontinentalsperre. Dabei handelt es sich um eine Wirtschaftsblockade gegen Großbritannien:
- Auf dem europäischen Festland ist jeglicher Handel mit britischen Waren verboten.
- Britische Kaufleute dürfen sich nicht mehr im französischen Einflussgebiet aufhalten.
- Wenn britische Waren irgendwo gefunden werden, werden sie beschlagnahmt und vernichtet.
- Britische Schiffe dürfen nicht mehr an europäischen Häfen anlegen.
Auf dem europäischen Festland ist die Empörung über die Kontinentalsperre groß. Viele Händler hatten mit den britischen Waren gute Geschäfte gemacht und verlieren nun unverschuldet ihre Existenzgrundlage. Napoleon muss in den Küstenstädten Kontrolleure einsetzen, um Warenschmuggel zu unterbinden.
Auch Russland ist von der Kontinentalsperre getroffen und durfte nicht mehr mit Großbritannien handeln. Dort regt sich immer mehr Widerstand gegen Napoleon und die voranschreitende Ausweitung seines Machtbereiches. Der russische Zar ist der Ansicht, dass Napoleon nur durch eine militärische Niederlage aufgehalten werden kann. Alles deutet auf einen Krieg zwischen Russland und Frankreich hin.
Vorbereitungen
Napoleon beginnt, Vorbereitungen für einen solchen Krieg zu treffen. Er weist die Rheinbundstaaten an, die Kontingente an Soldaten und Waffen zu erhöhen. Russland kann sich der Unterstützung Preußens und Österreichs sicher sein. Außerdem gewinnt Russland Schweden als Bündnispartner.
Napoleon weiß, dass er gegen das Bündnis seine Grande Armée in den Kampf schicken muss. Diese umfasst 450 000 Mann. Es ist die größte Armee, die es zum damaligen Zeitpunkt je gegeben hat.
Es geht los
Am 24.6.1812 setzt sich Napoleon mit seiner Armee in Richtung Russland in Bewegung. Er will möglichst schnell eine Entscheidungsschlacht herbeiführen, um dann schnell Friedensverhandlungen führen zu können – die dann wieder einen Gebiets- und Machtzuwachs für ihn bedeuten würden…
Franzosen in Russland
Die russische Armee lässt sich von der Grande Armée aber nicht einschüchtern und nicht zurückdrängen. Sie setzt auf die Strategie der verbrannten Erde und verhindert so die Versorgung der Franzosen. Diese haben keine Nahrung dabei, weil sie wie immer auf eine Versorgung durch Plünderung des Feindes eingestellt waren. Zum Versorgungsproblem kommen auch noch ein Läusefieberausbruch und eine ungünstige Wetterlage. Es sieht nicht gut aus für Napoleon. Durch Krankheiten und Hunger schrumpft seine „Grande Armée“ schon vor der ersten Feindberührung von 450 000 auf 160 000 Mann.
Die Schlacht
Kurz vor Moskau kommt es dann zur Schlacht zwischen Frankreich und Russland (unterstützt durch Preußen, Österreich und Schweden). Zwar siegen die französischen Soldaten, allerdings ist es die verlustreichste Schlacht, die unter Napoleon bis zu diesem Zeitpunkt je geführt wurde (28 000 Tote auf französischer Seite). Napoleon kann Moskau trotzdem einnehmen und bezieht den Kreml. Die restliche Stadt lässt er in Brand setzen. Die französischen Truppen werden durch ankommende Nachzügler verstärkt. In Moskau zeigen die französischen Soldaten ein disziplinloses Verhalten. Sie entdecken große Spirituosenbestände und lieferten sich verheerende Exzesse.
Napoleon wartet nun nach der Einnahme Moskaus auf ein Verhandlungsangebot des Zaren. Nach dem üblichen Muster will Napoleon Frieden anbieten, dafür aber Gebiete und Macht fordern. Doch der russische Zar denkt überhaupt nicht daran, mit Napoleon zu verhandeln. Er verbietet auch seinem Generalfeldmarschall, Friedensverhandlungen mit Napoleon zu führen.
Nach vielen Wochen des Wartens muss Napoleon einsehen, dass er nicht weiterkommt und nichts erreichen kann. Er ordnet seinen Soldaten den Rückzug an. Währenddessen hat Großbritannien große Mengen an Geld und Waffen nach Russland geliefert, um die verbündeten im Kampf gegen Frankreich zu unterstützen.
Der Rückzug des Grauens
Der Rückzug der Franzosen aus Russland ist von unzähligen Gefechten und Schlachten geprägt. Die Franzosen haben es nicht versäumt, aus den russischen Palästen große Mengen an Schätzen (Pelze, Gemälde, Wein) abzutransportieren. Dafür verwenden sie die wenigen erhalten gebliebenen Fuhrwerke. Verwundete und kranke französische Soldaten müssen zu Fuß gehen oder werden zurückgelassen.
Auf dem Rückzug gibt es für die Soldaten, aber auch für die Pferde, viel zu wenig Nahrung. Napoleon kannte bis jetzt nur die Heimkehr als Sieger - für eine Heimkehr als Verlierer hat er nicht vorgesorgt. Gerade einmal 28 000 Soldaten überqueren den Fluss Beresina (im heutigen Weißrussland), wo es erneut zu einer Schlacht kommt. Bei dieser Schlacht wird die Grande Armée endgültig zerschlagen. Der Rückzug der Franzosen wird nun dadurch erschwert, dass sich Napoleon schnell nach Frankreich begeben muss, um dort einen Putschversuch abzuwenden.
Das Massaker von Wilna
Im Dezember 1812 erreicht der jämmerliche Heimkehrertross Wilna. Dort treffen zur Verstärkung einige Nachzügler aus Frankreich ein. Bei Temperaturen um die -40° müssen sich die angeschlagenen Soldaten gegen mutige und unerschrockene Kosaken wehren. 20 000 Kranke, Verwundete und Erschöpfte werden in Wilna zurückgelassen. An diesen verüben die Kosaken, verstärkt durch die russische Zivilbevölkerung, ein grausames Massaker. Erst die eintreffende russische Armee beendete das Massaker.
Der württembergische Leutnant Karl Kurz beschreibt das Leid der in Wilna zurückgelassenen Soldaten:
„Säle und Zimmer lagen voll Toter und Sterbender, die in der Hungerwut ihre toten Kameraden benagten. … Unbeschreiblich war das Elend der armen Gefangenen in den Tagen des 11. bis 15. Dezember, in welchen durch die Waffen des Feindes, durch Misshandlungen aller Art, durch Kälte und Hunger mehr als 1.000 Offiziere und 12.000 Gemeine aller Nationen zugrunde gingen.“
Am 14. Dezember 1812 erreichen die übriggebliebenen 4300 französischen Soldaten Polen. 100 000 französischen Soldaten befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch in russischer Gefangenschaft. Diese werden erst freigelassen, wenn sich ihr Heimatland dem Kampf gegen Napoleon angeschlossen hatte.
Bilanz
Der Russlandfeldzug bringt Napoleon eine verheerende Niederlage mit unvorstellbaren Verlusten ein. Der Prestigeverlust für den selbst ernannten Kaiser der Franzosen ist enorm: Alle europäischen Mächte, die Napoleon bis dahin unterworfen hatte, können mit ansehen, wie sein Stern zu sinken beginnt...
Aufgaben
1. In Russland steigt die Wut auf Napoleon. Warum?
2. Alles läuft auf einen Krieg zwischen Russland und Frankreich hin. Wer hat welche Verbündete?
3. Skizziere den Verlauf des Krieges zwischen Russland und Frankreich in Stichpunkten.
4. Wie endet der Krieg und was bedeutet das Kriegsende für das Ansehen Napoleons?