Vier Grundsätze für die Bildung
1. Niederer Anspruch
Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte das deutsche Bildungssystem weltweit einen ausgesprochen guten Ruf. Der Lehrplan war anspruchsvoll und vielseitig. Deutschland verstand sich als Bildungs- und Kulturnation und forderte seinen Schülern viel ab, so dass diese mit sehr guter Bildung die Schule verließen.
Hitler, dessen Schullaufbahn von vielen Brüchen geprägt war und der die Schule ohne Abschluss verlassen hatte, kritisierte den „Intellektualismus“ des deutschen Schulwesens und formulierte ein anderes Bildungsziel:
Der völkische Staat habe „seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Entschlusskraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortlichkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung.“
Demgemäß setzte die Hitler-Regierung die Bildungsstandards massiv herab. Ein solides, kompaktes Grundwissen sollte für jeden reichen. Im Sinne der Gleichschaltung sollte niemand aus der Masse herausragen – jedenfalls nicht durch Intelligenz und Wissen. Besondere schulische Fähigkeiten und Interessen wurden nicht geschätzt und nicht gefördert.
Nach dieser Werteskala wurden die Schüler nun unterrichtet und bewertet:
1. „Die Erbanlagen und das allgemein rassische Bild“
2. „Der Charakter“
3. „Der Körper“ und erst zuletzt
4. „Das Wissen“*
2. Wehrerziehung
In einer pädagogischen Fachzeitschrift aus dem Jahr 1935 heißt es: „Wehrerziehung ist keine Sonderaufgabe einer umfassenderen Allgemeinerziehung, sondern das Kernstück unserer gesamten Erziehungsverantwortung.“**
Jegliche schulische Bildung war also überdacht von dem großen Ziel der Wehrfähigkeit. Diese hatte eine mentale und eine körperliche Komponente.
Die mentale Komponente war, eine bestimmte Gesinnung zu verinnerlichen, also das eigene Volk als stark und überlegen wahrzunehmen und gleichzeitig andere Völker als minderwertig und unterlegen wahrzunehmen. Die Schüler sollten Nationalstolz empfinden und die späteren Kriegsgegner hassen.
Die körperliche Komponente der Wehrfähigkeit bestand darin, Kondition, Stärke, Leidensfähigkeit und Widerstandskraft auszuprägen.
3. Rassenbewusstsein
Hitler stellte klar, dass Erziehung die Aufgabe hätte, „den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt- und verstandesmäßig in Herz und Gehirn“ der Jugend hineinzubrennen: „Es soll kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt worden zu sein.“**
Bei den Kindern und Jugendlichen sollte also ein Rassenbewusstsein geschaffen werden. Sie sollten stolz darüber sein, zur „überlegenen Rasse“ zu gehören. Voller Verachtung sollten die Kinder auf alle anderen, minderwertigen „Rassen“ herabschauen.
4. Subjektivität statt Objektivität
Objektivität ist in der Schulbildung heute ein wichtiges Gut. Objektivität bedeutet, Wissen möglichst neutral und ohne Wertung zu vermitteln. Es gilt das Überwältigungsverbot, was besagt, dass Lehrer die Schüler nicht emotional beeinflussen dürfen und sich generell mit ihrer Meinung zurückhalten sollen. Wenn die politische Meinung des Lehrers überhaupt zur Sprache kommt, dann muss er das deutlich als seine Meinung kenntlich machen und darf seine Meinung nicht als Tatsache ausgeben. Denn für viele Schüler ist es schwer, Fakten und Meinungen auseinanderzuhalten.
Außerdem sind Lehrer angehalten, immer die Vielschichtigkeit eines Sachverhalts und die andere Perspektive zur Sprache zu bringen. Dadurch soll den Schülern die Möglichkeit gegeben werden, sich ihre eigene Meinung zu bilden - auf der Basis neutraler Wissensvermittlung.
Die Nationalsozialisten lehnten Objektivität in der Bildung rigoros ab. Um die Kinder auf die Nazi-Ideologie einzuschwören, wurden sie mit Verschwörungstheorien, Schauergeschichten und Lügen konfrontiert - in einem Alter, indem sie noch nicht in der Lage waren, das Gelernte zu hinterfragen. Emotionale Überwältigung wurde bewusst genutzt, um Feindbilder aufzubauen und Hass zu schüren.
Im Sinne einer regelrechten Gehirnwäsche wurden im Unterricht herzzerreißende Kriegslieder gesungen und Nazi-Parolen im Sprechchor aufgesagt.
Quellen:
* Erika Mann: Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich. ro ro ro Verlag (9. Aufl.), Hamburg (2021), S. 63ff.
** Zentner, Christian (Hg.): Große Geschichte des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs. Band 2: 1934 - 1939. Naturalis Verlag, München (1989), S. 137 f.