Die Filmpaläste
Das neue Medium Film veränderte die Freizeitgestaltung der Menschen. Auch wenn die Menschen zuerst verstört und abweisend auf das neue Medium reagierten, entwickelten sie doch bald eine große Faszination für den Film...
Das Anfang: Variéte-Theater und Wanderkino
Zur Jahrhundertwende und in den 10er Jahren waren Filme nur Sekunden- oder minutenlang und konnten noch keinen Abend füllen. Stattdessen wurden diese Kurzfilme im Rahmen von längeren Unterhaltungsprogrammen eingesetzt, zum Beispiel in Variéte-Theatern. Den Zuschauern wurde dann ein bunter Mix aus Gesangstücken, Tanzeinlagen, kurzen Sprechtexten und eben Filmschnipseln geboten.
Zusammenstellungen von Filmen zeigte man auch in Schaubuden, Gasthäusern oder Hotelhallen. Auch auf Jahrmärkten wurden in Bretterbuden oder Zelten Filme vorgeführt. Außerdem gab es auf dem Land Wanderkinos, die von Ort zu Ort fuhren und dort ihren Cinématographen aufbauten. Zu dieser Zeit hatten die Filme noch keine komplexe Handlung. Das bewegte Bild war Attraktion genug und zog überall große Menschenmengen an.
Filme mit Handlung
Nach ein paar Jahren hatten sich die Menschen an einfachen Bewegungsaufnahmen sattgesehen. Nun entstanden die ersten Komödien, Dokumentar- und Spielfilme. In den Unterhaltungsprogrammen wurden die Filmpassagen immer länger, andere Elemente wie Tanz-, Gesangs- oder Theatereinlagen wurden gekürzt.
Die Begeisterung der Menschen für den Film führte nun allmählich zur Errichtung der ersten Kinos – zuerst nur in den Großstädten, bald aber flächendeckend in ganz Deutschland. Für die anfangs eher kleinen Kinos („Kintöppe“) wurden oft leerstehende Ladenlokale umgebaut. Vorführer zogen von Stadt zu Stadt und zeigten dort ihre Filme.
Film und Kino in den Goldenen Zwanzigern
Im Jahr 1927 hatten schon weltweit 6 Millionen Menschen Filme gesehen - diese waren zum Massenmedium geworden. Nun wurden die Filme immer anspruchsvoller. Die Regisseure wollten den Ruf loswerden, nur alberne, zappelnde Bilder zu produzieren – sie bemühten sich, kunstvolle Filme zu schaffen. Komplexe Handlungen und aufwändige Kulissen bestimmten den Film der zwanziger Jahre.
Auch die musikalische Untermalung wurde nun perfektioniert. Man beschäftigte Filmkomponisten, die für jeden Film eine passgenaue Musik komponierten. Diese sollte dann bei allen Aufführungen vor Ort genau gleich gespielt werden. Bei komplizierten Handlungen gab es am Anfang Filmerklärer. Diese wurden aber schnell durch eingeblendete Zwischentitel ersetzt.
In den Goldenen Zwanzigern entstand auch der Starkult – Schauspieler mit einer besonderen Ausstrahlung lösten weltweite Begeisterung aus und wurden von der Filmindustrie als „Zugpferde“ für neue Filme genutzt.
Die Zeit der Filmpaläste
Die immer anspruchsvollen Filme passten nicht mehr in die Bretterbuden auf dem Jahrmarkt – sie brauchten einen angemessenen Rahmen. In den Großstädten entstanden in den zwanziger Jahren prunkvolle Filmpaläste oder „Lichtspielhäuser“. Innen und außen glichen sie den vornehmsten Theaterhäusern. Eine Umgebung von Samtvorhängen, Kronleuchtern und Zimmerbrunnen sollte automatisch die gezeigten Filme aufwerten und den letzten Zweiflern klar machen, dass Kino kein „Theater für Arme“ ist. In den großen Filmpalästen gab es mindestens 2000 Sitzplätze.
Die Aufführungen wurden sehr vornehm gestaltet – das Personal war nach Motiven des aktuellen Films gekleidet und führte jeden Gast persönlich zu seinem Sitzplatz. Während des Einlasses wurde leise auf einer Orgel gespielt, der eigentliche Film wurde von einem 70-köpfigen Orchester begleitet. Der Eintritt war dementsprechend teuer: 3 Mark (entspricht heute ca. 20 Euro). Ein Kinoabend war ohne Zweifel ein besonderer Anlass, zu dem man sich vornehm kleidete.
Typischer Ablauf der Vorstellung:
- Beginn der Vorstellung mit einem 15-minütigem Singspiel oder einer Tanzpantomime (begleitet vom Kino-Orchester)
- Wochenschau – kurzer Zusammenstellung von Filmen über die Tagesereignisse à Vorläufer der TV-Nachrichtensendungen
- kurze Filmkomödie
- Hauptfilm à ca. 80 Minuten
Ende der zwanziger Jahre wurden dann Verfahren entwickelt, Filme mit Ton zu unterlegen. 1939 wurden erste Farbfilme gedreht. Die große Zeit des Kinos endete in den 50er Jahren mit der Einführung des Fernsehens.